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"Health Saving Accounts": wenig Wirkung, etwas für Reiche und nichts für Unversicherte - Zwischenbilanz aus den USA

Artikel 0893 Da man nie so richtig weiß, welche ausländischen und darunter oft auch us-amerikanischen Modelle zur Kostendämpfung und Inanspruchnahmesteuerung nach einiger Zeit in Deutschland "angedacht" und dann auch importiert werden (natürlich immer ohne die unerwünschten Seiten des US-Gesundheitssystems), lohnen sich regelmäßige Blicke auf die dort entwickelten Konzepte und vor allem ihre häufig vorbildliche und ihre Implementation begleitende empirische Evaluation.

Dies gilt auch dann, wenn eine Reihe der gemessenen Effekte sicherlich vom US-Kontext der Umsetzung abhängig sind und daher vermutlich unter den Bedingungen des deutschen Gesundheitswesens nicht auftreten würden. Dies wäre aber erst sehr konkret zu beweisen und sollte nicht dafür benutzt werden, die Augen vor Forschungsergebnissen in den USA zu schließen.

Konkret geht es um die in den USA seit einigen Jahren als Kostendämpfungs- und Leistungssteuerung-Instrument eingeführten "Health Savings Accounts (HSA)" in Kombination mit der Versicherung bei einem "High-Deductible Health Plan", also einem Krankenversicherungsschutz mit sehr hohem Selbstbehalt. Ein HSA ist eine Art Sparkonto mit Einlagen, die nur für Gesundheitsausgaben bzw. einen entsprechenden Versicherungsschutz verwendet werden dürfen und steuerbefreit sind. Die Einlagen sind aber lediglich steuerbefreit, wenn die betreffenden Personen in einer Versicherung versichert sind, die einen Mindest-Selbstbehalt von 1.100 US-$ für Einzelpersonen und 2.200 US-$ für eine Familie verlangt und deren maximale Zuzahlungen ("maximum out-of-pocket expenses") 5.500 US-$ pro Einzelpersonen oder 11.000 US-$ pro Familie und Jahr betragen.

Der Vorteil zu dem sonst streng an das Beschäftigungsunternehmen gebundenen Versicherungsschutz (hier liegt auch eine wichtige Ursache der hohen Anzahl von Nicht- oder Untersicherten in den USA aufgrund von Jobwechsel und Arbeitslosigkeit) ist, dass HSAs von der einen zur anderen Beschäftigung mitgenommen werden können.
Die Väter und Mütter der HSA erwarteten, dass die verschiedenen materiellen Anreize zu einem Rückgang der medizinisch nicht notwendigen Inanspruchnahme von Leistungen führen, die Gesundheitsausgaben fallen und es nicht zu nennenswerten unerwünschten Effekten kommt.

Ob dies der Wirklichkeit entspricht untersuchte nun "The Bell Policy Center", eine Non-Profit-Organisation aus Denver, Colorado allgemein für die gesamte USA und tiefergehend für diesen Bundesstaat.

In dem am 29. August 2007 der Öffentlichkeit vorgelegten 14-seitigen Ergebnisbericht "Health Savings Accounts and High-Deductible Health Plans" von Blair Woodbury finden sich folgende Kernergebnisse:

• Die Anzahl der Personen mit HSA-berechtigten Versicherungen stieg von 800.000 im Jahr 2005 auf 1,4 Millionen in 2006.
• Studien zeigen, dass 20 % der Arbeitnehmer, denen die Wahl zwischen verschiedenen Versicherungsformen ermöglicht wird, einen HSA mit hohem Selbstbehalt wählen.
• Eine Untersuchung aus dem Jahr 2006 zeigt, dass über HSAs überdurchschnittlich viele gesunde Personen versichert sind (56 % zu 47 % in allen anderen Versicherungsformen).
• HSA-Versicherte schauen mehr auf die Kosten verordneter Medikamente und nutzen mehr die Preis- und Qualitätsinformationen ihrer Versicherungsunternehmen.
• Während das historische aber immer noch einmalige "RAND Health Insurance Experiment" gezeigt hatte, dass Personen, die einen größeren Teil ihrer Gesundheitsausgaben direkt aus eigener Tasche bezahlen mussten, eine geringere Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen aufwiesen, zeigen mehrere aktuelle Surveys keine Inanspruchnahme-Unterschiede zwischen HSA- und anderen Versicherten. Dies liegt zum Teil an den mangelnden spezifischen Preis- und Qualitätsinformationen der HSA-"Health Plans", was es für die Versicherten schwer macht, die besten Angebote und Anbieter zu finden.
• HSAs unterstützen überwiegend Familien mit hohem Einkommen, die durch HSAs mehr für künftige Gesundheitsausgaben zurücklegen können als Familien mit geringem Einkommen. Dies hängt damit zusammen, dass der Steuervorteil mit steigendem Einkommen zunimmt. Das durchschnittliche Einkommen der HSA-Versicherten betrug entsprechend 2004 133.000 US-$, während das durchschnittliche Einkommen aller in diesem Jahr zur Steuer veranlagten BürgerInnen 51.000 US-$ betrug.
• Die gelegentlich auch zu Beginn der Einführung von HSAs geäußerte Hoffnung, dadurch unversicherte Personen zu einem Krankenversicherungsschutz zu verhelfen, muss zumindest in Colorado als Illusion betrachtet werden. Dies hängt überwiegend damit zusammen, dass viele der Unversicherten gar kein so hohes Einkommen haben, dass sie die Steuervorteile der HSA realisieren könnten.

Der Autor des Berichts bewertet in einem Pressegespräch die HSAs so, dass sie "may be useful for some consumers" aber "are by no means a solution to the major problems in today's health care system". "Current evidence indicates" zeigt stattdessen - so der Bericht, dass HSAs "may have made some families more financially vulnerable and has not significantly lowered health care costs."

Hier findet man kostenfrei den kompletten Bericht "Health Savings Accounts and High-Deductible Health Plans" von Blair Woodbury als PDF-Datei. Der Bericht enthält im Anhang außerdem für Interessenten, die das Thema vertiefen wollen, eine Fülle von Verweisen und teilweise direkt über Links erreichbare weitere Surveys über HSA und andere Versuche in den USA die enormen (2006 ca. 15,5 % des Bruttoinlandsprodukts - zum Vergleich: 10,8 % in der Bundesrepublik) Gesundheitsausgaben zu dämpfen.

Wer noch etwas mehr über das RAND Health Insurance Experiment (HIE) und die Bedeutung seiner Erkenntnisse für die aktuelle Debatte über kostendämpfende Anreizmethoden und -systeme wissen will, findet z. B. bei Jonathan Gruber vom Massachusetts Institute of Technology und National Bureau of Economic Research auf 18 Seiten eines Textes für die "Kaiser Family Foundation" aus dem Oktober 2006 etwas mehr: "The Role of Consumer Copayments for Health Care: Lessons from the RAND Health Insurance Experiment and Beyond".
Dies trifft auch auf einen schon 1992 erschienenen und von der RAND Corporation vertriebenen 6 Seiten umfassenden Text von Emmett Keeler zu: "Effects of Cost Sharing on Use of Medcal Services and Health".

Eine übergreifendere Würdigung und empirische Überprüfung der hinter dem HIE steckenden Annahmen über das Verhalten von Menschen ("moral hazard") in Versicherungssystemen und den dabei auch schon damals auftretenden unerwünschten Effekten für die TeilnehmerInnen finden sich in dem von der Bertelsmann Stiftung 2006 herausgegebenen, von Bernard Braun, Hartmut Reiners, Melanie Rosenwirth und Sophia Schlette verfassten und 75 Seiten umfassenden Chartbook "Anreize zur Verhaltenssteuerung im Gesundheitswesen".

Bernard Braun, 2.9.2007