Home | Patienten | Gesundheitssystem | International | GKV | Prävention | Epidemiologie | Websites | Meilensteine | Impressum

Sitemap erstellen RSS-Feed

RSS-Feed
abonnieren


Weitere Artikel aus der Rubrik
Epidemiologie
Andere Themen


Häufigkeit sozialer Kontakte (z.B. Besuche, Gruppenaktivitäten) und Sterblichkeitsrisiken assoziiert (11.11.23)
"Closing borders is ridiculous" (A. Tegnell), und zahlreiche Studien bestätigen dies seit vielen Jahren. (18.5.20)
"Für Firmen packt man die Bazooka aus, für Eltern nicht mal die Wasserpistole" (SZ 4.5.2020) Eltern, Corona-Pandemie in Österreich (6.5.20)
Ehemänner-Stress zwischen Alleinverdienerlast und Zweitverdiener"schmach". Die Macht und Hartnäckigkeit von Geschlechterrollen (25.11.19)
Länger leben in Gesundheit? Ja, aber mit erheblichen und zunehmenden sozialen Unterschieden. Das Beispiel Schweiz. (13.11.19)
Wirkt sich die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns auf die Gesundheit aus? Ja, aber etwas anders als vermutet. (22.8.19)
Global Health: Öffentliche Gesundheit in Theorie und Praxis (20.8.19)
Gesundheit global. Anforderungen an eine nachhaltige Gesundheitspolitik (12.8.19)
Schwachstelle mehrjähriger Gesundheitssurveys: sinkende und dabei noch sozial selektiv sinkende Beteiligung (19.3.19)
Kosten der Medikalisierung nichtmedizinischer Probleme - Eine defensive Schätzung für die USA und nicht nur für sie. (21.2.19)
Verlässlichkeit und Nutzen der Antwort auf die Frage nach dem selbst wahrgenommenen Gesundheitszustand erneut bestätigt (23.11.17)
Hilft das Wissen über genetische Risiken das Gesundheitsverhalten zu verändern und sind Therapien nah? Nein, eher nicht!! (25.3.16)
Gibt es kausale, assoziative oder keine Zusammenhänge zwischen der Teilnahme am Golfkrieg und Erkrankungen - und welche? (23.3.16)
"Zu den gesundheitlichen Folgen weiterer Kriegseinsätze in aller Welt fragen Sie bereits heute Ihre amerikanischen Waffenbrüder" (13.2.14)
Globale Gesundheit - scheidende Bundesregierung hinterlässt bedenkliches Erbe (17.12.13)
Wenig TeilnehmerInnen in randomisierten Studien= Überschätzung von Therapieerfolgen?! (6.10.13)
Ärztetag, Armut und Gesundheit: Kleinkariert, selbstbezogen und beschränkt (31.5.13)
Gesundheitspolitik und Sterben - Sterben zwar kein Tabu mehr, aber Wissens- und Zugangshürden vor Hospiz- und Palliativleistungen. (20.8.12)
Was sollten Hygieniker/Politiker bei einem Infektions-"Ausbruch" sein lassen oder "C'est les microbes qui auront le dernier mot"? (2.3.12)
Gesundheitsbericht-Ramsch: "Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" lieber nicht nach "Erinnerungen" zur Gesundheitsentwicklung! (16.7.11)
IG Nobel Preise 2010: Strümpfe (über den Schuhen getragen) helfen im Winter zur Prävention von Stürzen (23.11.10)
Meta-Analyse von 148 Studien zeigt: Soziale Isolation und Einsamkeit sind ein höheres Gesundheitsrisiko als das Rauchen (30.7.10)
Ein hoher Intelligenzquotient senkt das Suizid-Risiko - außer man ist psychotisch erkrankt (20.6.10)
Fußball ist ohnehin schon ein Gesundheitsrisiko - Und jetzt auch noch die Vuvuzelas bei der Fußball-WM (13.6.10)
"Todesursache" Nr. 1: Herzstillstand! Wie groß und inhaltlich folgenschwer ist das Elend der Todesursachenstatistik? (13.6.10)
Spanische Längsschnittstudie zeigt: Eine schlechte Lebensmoral erhöht das Sterblichkeitsrisiko (30.4.10)
Leitlinien zur Händehygiene in Krankenhäusern nur wirksam bei aktiver Implementierung (30.4.10)
Handwörterbuch und Lehrbuch "Sozialmedizin - Public Health" (27.4.10)
Schweinegrippe im (Rück-)Spiegel einer EU-weiten Bevölkerungsumfrage. (26.3.10)
Don't worry, be happy! Menschen mit starken positiven Emotionen sind seltener von Herz-Kreislauf-Erkrankungen betroffen (21.2.10)
Das Bevölkerungswissen über Risikofaktoren und Warnhinweise für einen Schlaganfall ist erschreckend gering (25.1.10)
Gesundheitsexperten artikulieren massive Kritik am Weihnachtsmann: Ein überaus negatives Vorbild (21.12.09)
Händewaschen: Mit flotten Leuchtschriften in Toiletten von Autobahn-Raststätten lässt sich Hygiene (ein wenig) verbessern (18.11.09)
Sachlichkeit statt "Pandemie-Hype": Allgemeinarztverband und Arzneimittelkommission zum ob, wer, wie und wie oft der Grippeimpfung (18.9.09)
Nutzen von Krebsfrüherkennung wird von Patienten deutlich überschätzt, Deutsche besonders schlecht informiert (12.8.09)
Don't worry, be happy! Wissenschaftler will die englische Bevölkerung glücklicher machen (2.8.09)
An welchen Wochentagen und zu welcher Jahreszeit häufen sich Suizide? US-Studie bringt überraschende Befunde (8.7.09)
Lug und Trug in der Wissenschaft: "few bad apples" oder "tip of the iceberg"? Ergebnisse einer Meta-Analyse von 18 Surveys (4.6.09)
Gesundheitsbedrohung durch die Lebensmittel-Industrie? Ähneln die Strategien von "Big Food" denen von "Big Tobacco" ? (14.4.09)
Kukidents! Grufties! Wer in der Jugend negative Altersstereotype pflegt, erkrankt später öfter an Herz-Kreislauferkrankungen (25.2.09)
Kapitalistische Revolution ist lebensbedrohlich - vor allem für Männer (18.1.09)
Selbsteinschätzung des Gesundheitszustands: Studien bestätigen wieder einmal die Zuverlässigkeit dieses Indikators (3.1.09)
Netzwerke als Erklärung gesundheitlicher Unterschiede - Einführung des Sozialen in die Medizin oder nur statistische Mängel? (2.1.09)
Der Mond hat keinen Einfluss auf die Zahl der Geburten - wohl aber Klinikärzte durch künstliche Einleitung von Geburten (26.11.08)
Erhöhtes Asthmarisiko für geplante und Notfall-Kaiserschnittgeborene (16.11.08)
IG Nobel Preise 2008: Striptease-Tänzerinnen bekommen an ihren fruchtbaren Tagen im Zyklus erheblich mehr Trinkgeld (4.10.2008)
Finnland: Preissenkung für alkoholische Getränke führt zu massivem Anstieg der alkoholbedingten Todesfälle (6.9.2008)
Der traditionelle Fahrradsattel mit Nase führt zu Erektionsstörungen und Gefühlsbeeinträchtigungen im Genitalbereich (17.8.2008)
Haben glückliche Menschen auch eine höhere Lebenserwartung? Ergebnisse einer Metaanalyse von 30 Längsschnittstudien (8.8.2008)
Migranten und Gesundheit: RKI veröffentlicht längst überfällige Einblicke in die Gesundheit von 20% der deutschen Bevölkerung (27.7.2008)
Mehrheit der Amerikaner möchte laut einer Umfrage lieber tot sein als mit einer schweren Behinderung leben (15.7.2008)
Reichtum schützt vor Schlaganfall - und ist ein besserer Indikator für soziale Ungleichheit als Einkommen oder Bildung (30.4.2008)
Englische Studie: Internet-Seiten bieten öfter Unterstützung für Selbstmordpläne als Hilfe und Prävention (14.4.2008)
Hält die Ehe gesund oder heiraten Gesündere häufiger als Ungesündere - Protektion oder Selektion? (6.4.2008)
Finnische Verlaufsstudie mit 300.000 Teilnehmern zeigt: Hausbesitzer haben eine höhere Lebenserwartung als Mieter (17.3.2008)
18 Studenten/innen essen vier Wochen nur Junk-Food - "Supersize me" unter strenger wissenschaftlicher Kontrolle (14.2.2008)
Sex and Drugs and Rap-Music! Studie findet in U-Musik sehr viele Texte über Drogenkonsum, besonders im Rap (12.2.2008)
Suizid im Spiegel der Epidemiologie - Selbstmord-Analysen im Stile der "Klapperstorch-Statistik" (18.1.2008)
Babies nach medizinisch nicht notwendigen Kaiserschnitt-Geburten weisen ein höheres Risiko von Atemwegs-Erkrankungen auf (26.12.2007)
"Irren ist ärztlich" oder wo man lieber nicht seinem Arzt glauben sollte: Medizinische Mythen an die sogar Ärzte glauben. (23.12.2007)
Neue Langzeitstudie über 65 Jahre zeigt: Religiöse Gläubigkeit ist kein Schutz gegen Krankheit (22.11.2007)
US-Kriegsheimkehrer Das wahre Ausmaß psychischer Schäden wird erst allmählich sichtbar (20.11.2007)
Doppelt so hohe Krankheitsrisiken für Mütter nach geplanten Kaiserschnitt-Geburten (18.11.2007)
Meta-Analyse deckt neue Präventionsbarriere auf: Bei schlechtem Wetter gehen die Leute weniger spazieren (13.11.2007)
Erwerbstätigkeit, Arbeitslosigkeit, Einkommensniveau und das psychische Wohlbefinden von jungen Menschen (11.11.2007)
Der natürliche Schlaf- und Wach-Rhythmus akzeptiert die Sommerzeit nicht (26.10.2007)
Junge Forscher entlarven pseudo-wissenschaftlichen Hokuspokus in der Werbung für Gesundheits-Produkte (20.10.2007)
Schlechte Beziehungen zur am nächsten stehenden Person erhöhen das Risiko für Herzerkrankungen um ein Drittel. (13.10.2007)
"Fröhliche Wissenschaft" oder über welche gesundheitsbezogenen Probleme endlich mal geforscht worden ist! (7.10.2007)
Über die hundertjährigen Wurzeln, Aus- und Umtriebe der Sozialhygiene, Sozialmedizin und Public Health in Deutschland (7.9.2007)
"Ulm ist die gesündeste deutsche Stadt" - Oder: Welch schöne Spielerei mit Statistik möglich ist (28.8.2007)
Investitionen in die Medizin oder ins Bildungssystem: Was hätte größeren Einfluss auf die Senkung der Mortalitätsraten? (15.7.2007)
Struktur-, Prozess-, Ergebnis-Qualität: Ihre Aussagekraft zur Evaluation von Versorgungsprozessen (10.7.2007)
"Taking Vioxx for a year is much more risky than a year travel, swimming, or being a firefighter" (30.6.2007)
Fragebögen als Informationsquelle der Versorgungsforschung - Wie erhöht man den Rücklauf? (12.6.2007)
Gewalt in den USA: Jährlich 70 Milliarden Dollar Kosten, 2.2 Millionen Opfer, 50 Tausend Tote (10.6.2007)
Auch Bremer Wissenschaftler erhielten verdeckte Forschungsgelder der Tabakindustrie (24.4.2007)
Zwischen Religion und real existierendem Sozialismus - Ursachen der Selbsttötungen in der DDR (22.4.2007)
Internationale Studien zeigen: Wo Waffen leicht verfügbar sind, steigt die Mord- und Selbstmordquote (19.4.2007)
Jeder vierte US-Kriegsveteran leidet unter psychischen Störungen (13.3.2007)
Weltbevölkerung wächst schneller als erwartet: 2050 gibt es über 9 Milliarden Menschen (13.3.2007)
Psychische Gewalt hat ebenso grausame Folgen wie körperliche Folter (7.3.2007)
Der "Irak-Effekt" - Unerwünschte physische und psychosoziale Folgen eines "Befreiungskrieges" für den Irak und die Welt (28.2.2007)
Intakte Blutdruckwerte - der Schlüssel zum Glücklichsein? Deutsche sind in einer EU-Studie Schlusslicht (20.2.2007)
Muttermilch - ein Wunderelixier auch für die Intelligenz und soziale Karriere des Kindes? (19.2.2007)
Potenzstörungen: Bewegungsfaule Männer sind erheblich öfter betroffen (2.2.2007)
Warum die Dänen im Glücksrausch sind und die Epidemiologen im Erklärungsnotstand (23.1.2007)
Beschäftigte im Gesundheitswesen 2005: Zwischen "Jobmotor" und "Personalmangel" (18.1.2007)
Studie zum Sexualverhalten in 59 Ländern zeigt überraschende Befunde (18.1.2007)
"Ein Haustier ist gesundheitsförderlich": Neue Forschungsergebnisse lassen Zweifel aufkommen (30.12.2006)
Das Phantom "Jobmotor Gesundheitswesen" - Mehr geringfügiger Beschäftigte! (6.11.2006)
Neuer Gesundheitsbericht: Gesundheit von Frauen und Männern im mittleren Lebensalter (8.2.2006)
Suizid ist auch eine Frage der Intelligenz: Weniger Schlaue begehen dreimal so oft Selbstmord (21.11.2005)
Gesundheit und Krankheit bei Migranten (31.8.2005)

Seite mit den Texten aller Artikel aufrufen:
Andere Themen
 

Andere Rubriken in "Epidemiologie"


Themen- und länderübergreifende Berichte

Soziale Lage, Armut, soziale Ungleichheit

Umwelt und Ökologie

Arbeit und Betrieb, Berufe, Branchen

Spezielle Krankheiten

Psychische Erkrankungen

Übergewicht, Adipositas

Ältere, Altersaspekte

Kinder und Jugendliche

Männer & Frauen, Gender-Aspekte

Gesundheitsverhalten (Rauchen, Ernährung, Sport usw.)

Gesundheit und Krankheit in den Medien

Andere Themen



Kapitalistische Revolution ist lebensbedrohlich - vor allem für Männer

Artikel 1466 Einer interessanten gesellschafts- und entwicklungspolitischen Fragestellung, die nicht zuletzt in der aktuellen weltweiten Krise des Kapitalismus besondere Relevanz hat, geht eine im Januar 2009 in der britischen Fachzeitschrift Lancet erschienene Studie nach. Unter dem Titel Mass privatisation and the post-communist mortality crisis: a cross-national analysis untersuchen die britischen Wissenschaftler David Stuckler, Laurence King und Adam Coutts, den Zusammenhang zwischen der Einführung des Kapitalismus in ehemals kommunistischen Ländern und dem vielfach beobachteten, teilweise deutlichen Rückgang der Lebenserwartung insbesondere bei Männern.

Nach dem Niedergang des Sozialismus in Osteuropa und Zentralasien vollzogen die Länder des ehemaligen Ostblocks einen jähen gesellschaftlichen Wandel und führten bereits in der ersten Hälfte der 1990er Jahre kapitalistische Strukturen ein. In dieser Zeit war vielerorts ein dramatischer Rückgang der Lebenserwartung vor allem bei Männern zu beobachten. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) geht von 3 Millionen vorzeitigen Todesfällen in dieser Phase aus, Die UN-Entwicklungsbehörde UNDP schätzt die Zahl der vorzeitig verstorbenen Männer sogar auf 10 Millionen. Besonders ausgeprägt war der Anstieg der Sterblichkeit aufgrund von Infektionserkrankungen - allen voran Tuberkulose - und von "Unfällen und Vergiftungen".

Anfangs führten verschiedene ExpertInnen diese besorgniserregende Tendenz auf verschiedene Ursachen wie den Zusammenbruch der Gesundheitsversorgung mit ihren Vorsorge -und Kontrollangeboten zurück. Auch die soziale Absicherung gegen gesellschaftliche Risiken brach zusammen, das Bildungssystem blieb nicht unberührt und tradierte gesellschaftliche Rollen und Zusammenhänge veränderten sich. Der gesellschaftliche Umbruch war sehr tiefgehend und erfasste andere Bereiche der Gesellschaft und Ökonomie. Auswirkungen auf den gesundheitlichen Zustand einer Bevölkerung sind unter solchen Umstände mehr als wahrscheinlich angesichts der umfangreichen empirischen Belege für den Zusammenhang nicht nur zwischen Armut, sondern auch zwischen Bildung, sozialem Kapital, Einkommensverteilung und nicht zuletzt Arbeitslosigkeit und Gesundheit.

Einen Überblick über die gesundheitlichen Folgen beispielsweise von Erwerbslosigkeit liefern die kostenfrei herunterladbaren früheren Ergebnisse der WHO-Arbeitsgruppe zu sozialen Determinanten von Gesundheit sowie der aktuelle Bericht der WHO-Kommission mit dem Titel Closing the gap in a generation. Für Deutschland vermittelt beispielsweise der vierte IAB Kurzbericht des bundeseigenen Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung mit dem Titel: Arbeitslos - Gesundheit los - chancenlos. Auf das vom IAB zusammengetragene und dort verlinkte umfangreiche Hintergrundmaterial gab bereits einen Hinweis im Forum Gesundheitspolitik.

Den primär wirtschaftlichen Ursachen veränderter Mortalitätsraten und anderer gesundheitlicher Indikatoren geht die nun veröffentlichte Studie aus Großbritannien nach. Mit Hilfe einer longitudinalen multivariaten Regressionsanalyse untersuchten die Autoren die Mortalitätsraten bei Männern im arbeitsfähigen Alter zwischen 15 und 59 Jahren. Dabei vergleichen sie die hauptsächlich zur ehemaligen Sowjetunion gehörenden Länder, welche die Schock-Therapie internationaler WirtschaftsberaterInnen und Entwicklungsbanken zur Anwendung brachten, mit solchen, die eine vorsichtigere Reform in Richtung Kapitalismus und Marktwirtschaft umsetzten. Das Kriterium für die Einordnung der Heftigkeit des kapitalistischen Umbruchs war die Privatisierung von mindestens einem Viertel der Staatsunternehmen innerhalb von zwei Jahren. Um die Effekte der Privatisierung zu isolieren, kontrollierten die Autoren dabei auch gegen andere Faktoren wie Preisentwicklung, Handelsliberalisierung, Einkommensschwankungen, Ausgangsbedingungen, strukturelle Ursachen höherer Mortalität, Demografie, Konflikte und andere mögliche Confounder.

Die Autoren fanden heraus, dass die Arbeitslosigkeit in den ehemaligen Sowjetrepubliken bei Anwendung der Schock-Therapie durchschnittlich um 61 % stärker anstieg als in den vorsichtiger privatisierenden Ländern. Ein Anstieg der Arbeitslosigkeit um 10 % war wiederum mit einem Anstieg der standardisierten männlichen Erwachsenenmortalität um 0-3 % assoziiert, wobei insbesondere in den frühen 1990er Jahren der Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Sterblichkeit in den schnell privatisierenden Ländern doppelt so hoch war als bei schrittweisem Umbau der Wirtschaft. Als protektiv gegenüber den Unbillen des hereinbrechenden Kapitalismus erwies sich soziales Kapital in Form, denn wo zumindest annähernd die Hälfte der Bevölkerung einer gesellschaftlichen Organisation angehörte, zeigte sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen Privatisierung und Mortalitätsraten.

Die Schlussfolgerung der Autoren ist eindeutig: "The policy implications are clear. Great caution should be taken when macroeconomic policies seek radically to overhaul the economy without considering potential effects on the population's health." Und ihre Empfehlung lautet, man sollte die Lehren aus ihren Erkenntnissen beim gesellschaftlichen und ökonomischen Umbruch für andere Länder wie China, Indien, Ägypten und nicht zuletzt Irak berücksichtigen.

Selbstverständlich werfen solche Untersuchungen etliche Fragen auf, schließlich bewegen sie sich auf einem derart komplexen Gebiet, das Vereinfachungen auch bei multivariaten Analysen unter Einbeziehung vieler Faktoren unvermeidbar macht. Auch konzentrieren sich die Autoren ausschließlich auf die veränderte Mortalität bei Männern, was zwar auf die vorrangig signifikanten Indikatoren eingeht, aber Genderaspekte unbeantwortet lässt. So wirft die Untersuchung von Stuckler, King und McKee unweigerlich die Frage auf, ob Frauen resistent gegen kapitalistische Umbrüche oder tief greifende Privatisierung sind - und wenn ja, warum? Schließlich sind gerade in der Sowjetunion mit einem hohen Anteil erwerbstätiger Frauen genauso viele weibliche Beschäftigte arbeitslos geworden, darunter auch eine Vielzahl allein erziehender Mütter, die im Prinzip sogar höheren Belastungen ausgesetzt sein müssten.

Bei allen Unsicherheiten und offenen Fragen kommt dieser Studie das unzweifelhafte Verdienst zu, gängige Denkschablonen zu hinterfragen und mit empirischen Begründungen auf solche Phänomene hinzuweisen, die wirtschaftstheoretische Analysen ebenso außer Acht zu lassen pflegen wie die Wirtschaftspolitik. Nun zeichnen sich ÖkonomInnen in der Regel nicht dadurch aus, dass sie auch nur wesentliche Erkenntnisse aus anderen Wissenschaftsdisziplinen in ihre Betrachtungen einbeziehen. Aber in Zeiten weltweiter Zweifel am den jahrelang dominierenden marktradikalen Heilslehren unterstreicht diese Untersuchung eindrücklich, das die üblicherweise angelegten Maßstäbe der Ökonomie nur einen Teil der komplexen Wirklichkeit einfangen.

Für Nicht-Abonnenten ist nur das Abstract kostenfrei zugänglich.
Über das Abstract hinausgehende englischsprachige Zusammenfassungen stehen im International Herald Tribune und in der New York Times zum Herunterladen zur Verfügung.

In der Schweizer WochenZeitschrift (WoZ) erschien zuz diesem Thema ein deutschsprachiger Beitrag, den Sie sowohl einzeln unter Lebensbedrohliche Revolution als auch im Verbund mit anderen Artikeln im WoZ-Dossier herunterladen können.

Jens Holst, 18.1.09