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Selbstverwaltung und Widerspruchsauschüsse und warum mal wieder über 60% der Wahlberechtigten in der GKV nicht wählen dürfen!?

Artikel 2559 "Mit Ihrer Stimme bei den Sozialwahlen nehmen Sie Einfluss in eigener Sache. Bringen Sie Ihre Stimme zu Gehör und machen Sie mit bei der Sozialwahl 2017." (Bundeskanzlerin Angela Merkel)
Und: "Wer Beiträge einzahlt oder eingezahlt hat, der soll auch mitbestimmen können." (Tageszeitungs-Anzeige zur Sozialwahl)

Mit diesen und weiteren Ausführungen wird im Moment in zahlreichen Printmedien und in Radio- und Fernsehbeiträgen für die Teilnahme an den Sozialwahlen für die Selbstverwaltungsorgane "der" (zu den Anführungszeichen Näheres weiter unten) gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung geworben.

Welche Bedeutung gewählte SelbstverwalterInnen für die Versicherten haben (können), erfährt der umworbene Sozialversicherte in diesen Anzeigen nur punktuell. Ob dies an mangelnden Beispielen oder mangelnder Transparenz über das Tun und Lassen der Selbstverwaltungen liegt, und ob dies auch daran liegt, dass darüber nur alle 6 Jahre im Kontext der Sozialwahlen berichtet wird, gehört zu den kritischen Aspekten der Umstände der drittgrößten Wahl in Deutschland.

Zu den wenigen wissenschaftlichen Arbeiten, die sich mit der Wirklichkeit der Selbstverwaltung zwischen den Wahlen beschäftigt hat, gehört eine von WissenschaftlerInnen der Universitäten Kassel und Halle an der Saale vor kurzem abgeschlossene Analyse des Rechts und der Praxis der mit ehrenamtlich tätigen SelbstverwalterInnen besetzten Widerspruchsausschüsse in der Sozialversicherung. In älteren Untersuchungen hoben Versicherten- aber auch Arbeitgebervertreter immer wieder ihre Tätigkeit in diesen Ausschüssen als essentiell und praktisch relevant für das Prinzip der Selbstverwaltung hervor. Diese Ausschüsse sind per Gesetz vor eine mögliche Klärung des Widerspruchs vor einem Sozialgericht geschaltet, sollen also auch die Tätigkeit der Sozialgerichtsbarkeit entlasten.
Ob und wie dies zutrifft erforschten die RechtswissenschaftlerInnen aus Kassel und Halle jetzt mit einer Kombination quantitativer und qualitativer Methoden gründlich.

Zu den ausgewählten Ergebnissen zählen:

• 2014 legten rund 822.000 Versicherte in der Renten-, Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung gegen Bescheide ihrer Träger Widerspruch ein.
• Rund 46% aller Widersprüche werden Gegenstand der Beratung und Entscheidung in den Widerspruchsausschüssen. Die restlichen Widersprüche werden durch Rücknahme oder durch Abhilfe seitens der Verwaltung beendet.
• Insgesamt werden von den 822.000 Widersprüchen von Versicherten 44,8% durch Widerspruchsbescheide abgelehnt. Ein Drittel ist vor allem durch Abhilfe erfolgreich und etwas mehr als ein Sechstel wird zurückgenommen. Von den abgelehnten Widersprüchen landet ungefähr ein Drittel durch Klage vor einem Gericht. Von den Klagen ist knapp ein Drittel ganz oder teilweise erfolgreich.
• In den vier Sozialversicherungsträger gibt es 1.000 bis 1.200 Widerspruchsausschüsse mit 3.000 bis 3.500 Mitgliedern.
• Die Mitglieder der Ausschüsse sind zu 77% männlich, zu 87% 50 Jahre und älter und 39% aller Mitglieder haben bereits das Erwerbsleben beendet.
• Von den befragten Mitgliedern der Widerspruchsausschüsse stimmten 55% der Aussage zu, dass Klagen durch den Widerspruchsausschuss verhindert werden können, 27% meinten "teils - teils" und immerhin 18% verneinten, wobei die befragten Hauptamtlichen skeptischer waren als die Ehrenamtlichen.
• Für das Jahr 2014 betrug der Anteil der mit vollem oder teilweisem Erfolg abgeschlossenen rund 380.000 Verfahren in den Widerspruchsausschüssen in den genannten vier Sozialversicherungszweigen weniger als 3%.
• Auch wenn dies direkt eine geringe Erfolgsquote ist, stimmen 69% aller Antwortenden der Aussage zu, dass die Verwaltungspraxis dadurch beeinflusst wird, dass es Widerspruchsausschüsse gibt, die sie kontrollieren. Allerdings mit einer - nicht überraschenden - Abstufung in der Stärke der Bejahung nach Ehrenamt (72%) einerseits und dem vergleichsweise zurückhaltenden Hauptamt (52%) andererseits. Inhaltlich in der Nähe angesiedelt ist die Aussage "Die Verwaltung nimmt den Widerspruchsausschuss ernst". Sie findet mit "voll und ganz" und "eher ja" einen starken Bejahungsanteil von 92%. Zusätzlich zu den geringen direkten Wirkungen gibt es also eine nicht zu quantifizierende aber spürbare indirekte Wirkung der Ausschüsse.

Den 21-seitigen Ergebnisbericht Recht und Praxis der Widerspruchsausschüsse in der Sozialversicherung. Bestandsaufnahme und Wirkungsanalyse. Ergebnisbericht zum Forschungsvorhaben von Höland, Welti, Böttcher, Buchwald, Krausbeck, Fischer und Weber gibt es kostenlos zum Herunterladen.
Auf der Projekt-Website der das Vorhaben fördernden Böckler Stiftung finden sich Links zu weiteren Publikationen über Teilthemen.

Schlecht zum direkten und indirekten Nutzen von Selbstverwaltung und zur eingangs zitierten Stimmabgabe-Werbung passt allerdings etwas was in dieser Werbung ziemlich versteckt wird und den zitierten Ermunterungen diametral entgegensteht. Es geht darum, dass vor allem in der Gesetzlichen Krankenversicherung auch 2017 die Mehrheit der eigentlich wahlberechtigten beitragszahlenden Mitglieder, nämlich 61% überhaupt nicht wählen können - und dies in der Mehrheit der Krankenkassen seit Jahrzehnten. 21,5 Millionen Mitglieder von Ersatzkassen dürfen dagegen wählen. Dies wird durch die systematische Nutzung der legalen Möglichkeit (§ 46 SGB IV) erreicht, Urwahlen durch Absprachen über eine der Anzahl von Sitzen entsprechenden Anzahl von Kandidaten zu verhindern. Die so ausgekungelten Personen sind ohne Wahl durch die eingangs so blumig beschworenen beitragszahlenden Mitglieder deren Interessen sie vertreten sollen gewählt. Dass dies auch noch ausgerechnet nach der zitierten Wahlwerbung und dann noch vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) ohne jegliche selbstkritische Einschränkung verteidigt wird, gehört zu den Schattenseiten der Selbstverwaltungswirklichkeit. Das DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach erklärte dazu in einer Pressemitteilung am 26.4. 2017 folgendes: "Die Sozialwahl ist eine Listenwahl im Rahmen von Körperschaften des öffentlichen Rechts und keine Personenwahl im Sinne der parlamentarischen Demokratie. Deshalb sind auch so genannte Friedenswahlen legitim und demokratisch. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften stellen ihre Kandidatinnen und Kandidaten in einem transparenten, demokratischen Verfahren auf."

Bernard Braun, 3.5.17