Home | Patienten | Gesundheitssystem | International | GKV | Prävention | Epidemiologie | Websites | Meilensteine | Impressum

Sitemap erstellen RSS-Feed

RSS-Feed
abonnieren


Weitere Artikel aus der Rubrik
Patienten
Hausärztliche und ambulante Versorgung


GKV-Versicherte warten 15 Tage länger auf einen Dermatologen-/Neurologentermin als PKV-Versicherte (17.10.23)
Fortbildungspflicht für Ärzte: Umstritten, aber wirksam (28.4.17)
Wie verlässlich oder reliabel sind allgemeinärztliche ICD-10-Diagnosen - und zwar auch ohne die GKV-Beihilfe beim Up-Coding? (22.10.16)
Todkranke und zu Hause palliativ versorgte Menschen haben keine Nachteile, eher Vorteile. Rücksicht auf Präferenzen möglich! (30.3.16)
Universitäre Medizinerausbildung in Deutschland: Exzellenz statt Bedarfsgerechtigkeit (6.4.15)
Wie "fest" ist ein Festbetrag und wo liegen die Grenzen des Service-Outsourcens gesetzlicher Krankenkassen und Rentenversicherer? (20.9.14)
Polypharmazie bei Allgemeinärzten: Ein Drittel der Arzneimittel hatte keinen Nutzen - CDU/CSU/SPD-Kompromiss: Kasse statt Klasse!! (25.11.13)
Das auch noch wachsende Leid mit den Leitlinien am Beispiel der ambulanten Behandlung von Patienten mit Rückenschmerzen (15.10.13)
Weniger ist mehr, was man aber erst nach einiger Zeit bemerkt: Ein Beispiel aus der Behandlung von psychisch Kranken (13.8.13)
"Renaissance der Allgemeinmedizin"? Ja, aber nicht nach dem Motto "weiter wie bisher" und "mehr Geld ins System"! (11.3.13)
Qualitätsmanagement und Hygiene in Arztpraxen. Ergebnisse einer "nicht inzentivierten" Ärztebefragung (6.5.12)
Ärztliche "Überweisungen" von bewegungsarmen Personen in Bewegungsprogramme sind fast wirkungslos (18.4.12)
Aufgewärmtes zur Praxisgebühr: Unbelehrbar, unbe-irr-bar oder einfach nur irre? (12.4.12)
Hausärzte in Brandenburg: Gesetzliche "Gesundheitsuntersuchung" nicht sinnvoll, außer mit IGeL-Zusatzleistungen (2.9.11)
Wenig Wissen über Radiologen, mehr Kontakte gewünscht aber hochzufrieden - "Blindes Arzt-Vertrauen" oder "health illiteracy"? (3.6.11)
USA: Tele-Videokonferenzen mit Fachärzten ermöglichen auch die Behandlung schwieriger Erkrankungen durch Hausärzte auf dem Lande! (2.6.11)
"Optimale" feste Selbstbeteiligungenn der ambulanten Versorgung - Nicht der Stein der Weisen! (13.4.11)
Wie realistisch ist die Prognose von 950.000 im Jahr 2030 fehlenden ärztlichen und nichtärztlichen Fachkräften? (25.10.10)
Therapien mit Antibiotika: Meta-Analyse von 24 Studien stellt erneut massive Risiken der Resistenzbildung fest (27.6.10)
9 Jahre ambulante Versorgung und Gesundheitspolitik aus Versichertensicht: "Gesundheitsmonitor"-Daten frei zugänglich! (19.5.10)
Santé à la francaise: Croissants, petit rouge, savoir de vivre. Aber in welchem Gesundheitssystem? Beispiel ambulante Versorgung (16.5.10)
US-Studie: Haben Arztpraxen zu wenig Patienten für gute Qualitätssicherung der Behandlung einer Vielzahl von Erkrankungen? (16.3.10)
Zuzahlungen und Praxisgebühr führen zur eingeschränkten Inanspruchnahme auch medizinisch notwendiger Leistungen bei Überschuldeten (2.3.10)
Wozu diente die Altersgrenze für Vertrags(zahn)ärzte und warum ist ein EuGH-Urteil zu einem alten SGB V-Paragraphen interessant? (19.1.10)
Evidente, situations- und patientenbezogene "point-of-care"-Empfehlungen für Hausärzte verbessern Sekundärprävention nicht. (17.1.10)
Selbstzahlerleistungen - Studie aus Kiel zeigt: fragwürdige Angebote sind weit verbreitet (1.7.09)
Erste Zeugnisse für Gemeindeschwester AGnES: Modellprojekt bekommt gute Noten von Ärzten und Patienten (23.6.09)
Wie zahlreich sind und welchen Nutzen haben die "Medizinischen Versorgungszentren (MVZ)"? Antworten des KBV-MVZ-Survey 2008 (25.5.09)
Was kostet die Interaktion mit privaten Krankenversicherern Ärzte und weiteres Praxispersonal in den USA an Zeit und Geld? (17.5.09)
Psychische Störungen: Viele Beschwerden bleiben in der hausärztlichen Praxis unerkannt (5.5.09)
Ein Allgemeinarzt als fester Ansprechpartner auch in Versorgungszentren und Gemeinschaftspraxen erhöht die Versorgungsqualität (5.3.09)
US-Experten: Wenig bis keine Evidenz des Nutzens von Hautkrebs-Screening oder ärztlicher Beratung über Hautkrebsprävention (18.2.09)
Ärzte sind auch nur Menschen: Bei ängstlichen Kopfschmerz-Patienten wird sehr viel mehr kostenträchtige Diagnostik betrieben (26.1.09)
EKG und Belastungs-EKG bei Angina pectoris: Grenzen technischer Diagnostik und Nutzen von Anamnese und körperlicher Untersuchung. (11.12.08)
Wartezeiten auf einen Arzttermin: Erneut zeigt eine Studie, dass Privatpatienten gegenüber GKV-Versicherten besser gestellt sind (28.6.2008)
Begleitendes Case-Management durch Arzthelferinnen verbessert den Therapieerfolg bei Arthrose-Patienten (26.3.2008)
Eine feste Anlaufstelle im medizinischen Versorgungssystem bewirkt für viele Patienten eine bessere Versorgungsqualität (7.3.2008)
Reichen 20 Minuten Sport am Tag zur Krankheitsvorbeugung? Englische und schottische Ärzte können die Frage nicht beantworten (5.2.2008)
Neue Studie: Kassenpatienten warten dreimal so lange wie Privatpatienten auf einen Arzttermin für planbare Behandlungen (14.1.2008)
Evaluation von Hausarztmodellen zeigt noch keine überzeugenden Verbesserungen der medizinischen Versorgung (12.1.2008)
Ein "medizinisches Zuhause" bietet nach Patientenurteilen eine bessere Behandlungsqualität (2.11.2007)
Kann man psychosoziale Probleme in Unterschichtsfamilien unaufwändig erkennen und angehen? Ja und Ja! (14.9.2007)
Kein Ärztemangel in Deutschland, aber Über- und Unterversorgung durch schlechte regionale Verteilung (22.6.2007)
Patienten-Selbstmanagement: Kostensparend, therapiefördernd und trotzdem wenig verbreitet (17.4.2007)
Neue Arbeitsteilung in den Heilberufen: Krankenschwestern als Ärzte "light" ? (27.3.2007)
Gesundheitsmonitor 2004 online verfügbar (23.11.2006)
Ärztliche Kooperationen. Kompetenzen vernetzen (KBV) oder "was kümmert mich mein Gerede von vor 15 Jahren". (16.11.2006)
GEK-Studie zeigt: Bei der Zahl der Arztbesuche sind deutsche Patienten führend (10.11.2006)
Wartezeiten beim Arzt: GKV-Versicherte warten länger als Privatpatienten (8.11.2006)
Ärztemangel: Die erstarrte Arbeitsteilung zwischen den Gesundheitsfachberufen (6.11.2006)
Praxisausstattung von Primärarzt-Praxen in sieben Industrieländern (6.11.2006)
"Individuelle Gesundheitsleistungen" (IGeL) - eine neue Goldgrube für Ärzte? (31.10.2005)
Ärztemangel auf dem Lande: Grenzen des Wettbewerbs und Lösung durch neue Versorgungsformen (12.10.2005)
Gesundheitsmonitor 2003: Die ambulante Versorgung aus Sicht von Ärzteschaft und Bevölkerung (20.8.2005)

Seite mit den Texten aller Artikel aufrufen:
Hausärztliche und ambulante Versorgung
 

Andere Rubriken in "Patienten"


Gesundheitsversorgung: Analysen, Vergleiche

Arzneimittel, Medikamente

Einflussnahme der Pharma-Industrie

Arzneimittel-Information

Hausärztliche und ambulante Versorgung

Krankenhaus, stationäre Versorgung

Diagnosebezogene Fallgruppen DRG

Rehabilitation, Kuren

Kranken- und Altenpflege, ältere Patienten

Umfragen zur Pflege, Bevökerungsmeinungen

Schnittstellen, Integrierte Versorgung

Disease Management (DMP), Qualitätssicherung

Leitlinien, evidenzbasierte Medizin (EBM)

Verhaltenssteuerung (Arzt, Patient), Zuzahlungen, Praxisgebühr

Arztberuf, ärztl. Aus- und Fortbildung

IGeL Individuelle Gesundheitsleistungen

Alternative Medizin, Komplementärmedizin

Arzt-Patient-Kommunikation

Patienteninformation, Entscheidungshilfen (Decision Aids)

Shared Decision Making, Partizipative Entscheidungsfindung

Klinikführer, Ärztewegweiser

Internet, Callcenter, Beratungsstellen

Patienteninteressen

Patientensicherheit, Behandlungsfehler

Zwei-Klassen-Medizin

Versorgungsforschung: Übergreifende Studien

Versorgungsforschung: Diabetes, Bluthochdruck

Versorgungsforschung: Krebs

Versorgungsforschung: Psychische Erkrankungen

Versorgungsforschung: Geburt, Kaiserschnitt

Versorgungsforschung: Andere Erkrankungen

Sonstige Themen



Wie verlässlich oder reliabel sind allgemeinärztliche ICD-10-Diagnosen - und zwar auch ohne die GKV-Beihilfe beim Up-Coding?

Artikel 2547 Das wenige Tage alte "Geständnis" des Vorstandsvorsitzenden der Techniker Krankenkasse, andere Kassen aber wahrscheinlich auch seine eigene hätten ambulant tätige Ärzte zum Teil sogar in vertraglicher Form dazu "animiert", noch gründlicher über die Art der Erkrankung ihrer Patienten nachzudenken und deren Ernst durch eine schwerere bzw. im Rahmen des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs besser für die Kasse wirtschaftlich günstigere Diagnose zum Ausdruck zu bringen, offenbarte, dass es sich bei der dabei genutzten "International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems/Internationalen statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD)" (aktuell 10. Revision) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) keineswegs um eine objektive, sondern um ein auch durch nicht gesundheitsbezogene Erwägungen beeinflussbares System handelt.

Wie stark durch dieses Up-Coding auch alle Statistiken über den Gesundheitszustand der Bevölkerung, die sich auf die ICD-Klassifikation stützen, verfälscht worden sind und werden, ist nicht zu quantifizieren, dass es einen "Morbi-RSA-Bias" gibt, ist aber sicher.
Im Zusammenhang mit ihrer aktuellen öffentlichen Präsenz sei aber daran erinnert, dass Morbiditätsdaten, die mit den ICD-10-Diagnosen gewonnen werden, auch ohne die Anstiftung zum Up-Coding wahrscheinlich verzerrt sind.

Dies zeigt eine m.W. nie wiederholte und bereits 2009 veröffentlichte Untersuchung der Reliabilität, also der Wiederholbarkeit gleicher Diagnosen bei gleichen Bedingungen durch eine oder verschiedene Personen.

Vorab zur Erinnerung: Die ICD-10-Klassifikation (die aktuelle Version für das Jahr 2016 findet man hier) erlaubt eine vorliegende gesundheitliche Störung als erstes in eine von 21 Hauptgruppen einzuordnen, die von bestimmte infektiöse und parasitäre Krankheiten über Krankheiten des Kreislaufsystems bis zu Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen reichen. Diese Zuordnung kann noch weiter verfeinert werden. So erhält ein Patient, der an Cholera leidet den dreistelligen Code A00 und ein anderer, der eine sonstige Salmonelleninfektion hat den Code A02. Diese Codierung kann noch durch eine vierte Stelle präzisiert werden. Bei Patienten mit einer sonstigen Salmonelleninfektion kann dann z.B. zwischen einer Salmonellenenteritis (A02.0) oder Salmonellensepsis (A02.1), also zwei vom Schweregrad deutlich unterschiedlichen Zustände nach einer Salmonelleninfektion und weiteren Unterformen unterschieden werden. Bei einigen Obergruppen gibt es auch noch eine 5. Stelle zu Komplikationsgraden und eine nicht WHO-offizielle Zusatzinformation über die Validität der Diagnose (z.B. Verdachtsdiagnose).

Eine Forschergruppe an der Universität Leipzig hatte in Kooperation mit der Sächsischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin für 8.877 zufällig ausgewählte ambulant-allgemeinärztlich behandelte Patienten von 209 (von 2.510 angesprochenen in Sachsen praktizierenden Allgemeinärzten!!) in den Jahren 1999/2000 eine Fülle von diagnoserelevanten Daten zusammentragen lassen und auf dieser Basis zwei berufserfahrene Ärzte die vierstellige Hauptdiagnose nach ICD-10 vergeben lassen. Je mehr deren Diagnosen übereinstimmten desto besser ist die Reliabilität der ICD-10-Diagnostik. Der Grad der Übereinstimmung oder eben auch Nichtübereinstimmung (so genannte "inter-rater reliability") wurde mit dem bewährten statistischen Kappa-Maß bestimmt.

Die Ergebnisse sahen so aus:

• Bei Patienten mit neu zu behandelnden Krankheiten war die Übereinstimmung der Zuordnungen zu Hauptgruppen in 12 von 19 Hauptgruppen (63,16%) mit ausreichender Fallzahl zufriedenstellend. In anderen Worten stimmten die Bewerter z.B. mindestens darin überein, dass es sich um eine Krankheit der Hauptgruppe infektiöse oder parasitäre Krankheiten handelt und nicht um eine andere.
• Bei der Vergabe von drei- oder vierstelligen Diagnosen, also einer Verfeinerung der Diagnosen, war die Übereinstimmung zwischen den beiden diagnostizierenden Ärzten in keiner Hauptgruppe zufriedenstellend. Die Diagnosen unterschieden sich also mehr oder weniger beträchtlich. Bei allen dreistelligen Diagnosen war die Übereinstimmung bei 36,01% zufriedenstellend, bei allen vierstelligen Diagnosen traf dies nur noch für 11,85% zu.
• Bei Patienten, die wegen chronischen Krankheiten dauerhaft behandelt wurden, war die Kodier-Reliabilität in 14 der dabei ausreichend besetzten 20 Hauptgruppen (65%) zufriedenstellend. Bei fast 43% aller dreistelligen Diagnosen gab es hohe Übereinstimmung und bei 18,02% der vierstelligen.

Selbst wenn man die methodischen Einschränkungen dieser Studie berücksichtigt, waren die im allgemeinärztlichen Bereich vergebenen Diagnosen allerhöchstens auf dem Niveau der Hauptgruppen reliabel, nicht oder lediglich bei 10% bis rund 40% aber bei den drei- und vierstelligen Diagnosen.
Da die im Lichte dieser Verhältnisse geforderte Vereinfachung des ICD-Katalogs (dies forderte auch der Sachverständigenrat für Gesundheit in einem seiner Jahresgutachten für die Allgemeinmedizin) und die Vorgabe klarer Kodierleitlinien nicht erfolgte, dürfte sich die Reliabilität bis heute nicht grundsätzlich verbessert haben. Ob und wie stark sich dies auch ohne die "Kodierpraxispflege" durch die GKV auf die Realität des Morbi-RSA mit seinen 80 relevanten Krankheiten auswirkt, wäre interessant zu untersuchen.

Die Hoffnung, die unbefriedigende Reliabilität der Krankheitenkodierung mit anderen einfacheren Klassifikationssystemen grundsätzlich zu verbessern, sollte aber nicht zu groß sein und nicht die Suche nach besseren Systemen verbauen. Dieselbe Forschergruppe hat nämlich 2012 die Ergebnisse einer auf derselben Datenbasis durchgeführten Studie veröffentlicht, die zur Klassifikation die "International Classification of Primary Care (ICPC-2)" benutzte. Die Schlussfolgerungen waren graduell besser, aber nicht grundsätzlich: "The reliability was good to excellent at the chapter level, at the component level the reliability was moderate though good in the components 1-symptoms and 7-diseases. At single code level the agreement was only fair to moderate in both chapters and components. One third to half of the used codes showed good inter-rater agreement."

Die Studie Three- and four-digit ICD-10 is not a reliable classification system in primary care von E. Wockenfuss et al. ist 2009 im "Scandinavian Journal of Primary Health Care" (27: 131-136) erschienen und komplett kostenlos erhältlich.

Auch die 2012 in der Zeitschrift "Swiss Medical Weekly" (142: w13621) veröffentlichte Studie Inter-rater reliability of the ICPC-2 in a German general practice setting von Th. Frese et al. ist komplett kostenlos erhältlich.

Bernard Braun, 22.10.16