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Patienten
Disease Management (DMP), Qualitätssicherung


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US-Studie: Haben Arztpraxen zu wenig Patienten für gute Qualitätssicherung der Behandlung einer Vielzahl von Erkrankungen?

Artikel 1760 Der § 135a SGB V verpflichtet ausdrücklich Vertragsärzte, medizinische Versorgungszentren, zugelassene Krankenhäuser und Erbringer von Vorsorgeleistungen oder Rehabilitationsmaßnahmen dazu, ihre Leistungen nach dem "jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ... und in der fachlich gebotenen Qualität" zu erbringen.
Sie sollen sich dazu an "einrichtungsübergreifenden Maßnahmen der Qualitätssicherung ... beteiligen, die insbesondere zum Ziel haben, die Ergebnisqualität zu verbessern und einrichtungsintern ein Qualitätsmanagement" einführen. So weit, so gut und sicherlich ein gewaltiger Fortschritt gegenüber der Vergangenheit.

Die Frage, wie z.B. Einzelarztpraxen dies praktisch schaffen und ob sie überhaupt von ihren Strukturbedingungen in der Lage sind, dem hohen Anspruch genügen zu können, ist nach der Veröffentlichung einer Studie, welche die Möglichkeit us-amerikanischer niedergelassener Ärzte, die dortigen Anforderungen an Qualitätssicherung zu erfüllen, untersuchte, eine absolut berechtigte.

Die US-Forscher fanden nämlich nach der Analyse der Anzahl von Patienten mit ausgewählten Behandlungsanlässen oder Diagnosen und dem damit in Allgemein-/Hausarztpraxen und -zentren verbundenen Aufwand folgendes für die Qualitätssicherungsrealität heraus:

• Will man der Qualitätssicherung im Medicaresystem der USA statistisch zuverlässige, d.h. mindestens 10% betragende Unterschiede in Kosten und Behandlungsqualität zugrundelegen, und dies z.B. bei der Mammographierate von Frauen im Alter zwischen 66 und 69 Jahren, der Bestimmung des HbA(1c)-Wertes bei 66-75-jährigen Diabetikern, der Rate vermeidbarer Hospitalisierung und der Rate der stationären Wiederaufnahme nach Entlassung bei kongestiver Herzinsuffizienz., müssen die Praxen eine beträchtliche Anzahl von Patienten mit der jeweiligen Erkrankung behandeln.
• Die Versorgungszentren und Arztpraxen der Primärversorgung behandelten im jährlichen Mittel insgesamt 260 Medicare-Patienten 25 Mammographie-Patientinnen, 30 Diabetespatienten mit Hämoglobin A(1c)-Bestimmung und 0 Patienten mit Hospitalisierung wegen kongestiver Herzinsuffizienz.
• Bei der Mammographierate und der Hämoglobin A(1c)-Bestimmung lag der Anteil von Praxen mit ausreichender Patientenfallzahl bei Praxen mit weniger als 11 Primärärzten unter 10% und erst bei Praxiszentren mit mehr als 50 Ärzten bei 100%. Keine der Praxen der Primärversorgung hatte genügend Patienten, um 10%-ige Qualitätsunterschiede hinsichtlich vermeidbarer Hospitalisierung oder Wiederaufnahme bei kongestiver Herzinsuffizienz innerhalb von 30 Tagen zu erfassen.
• Viele Einzelarztpraxen und auch relativ viele kleine bis mittlere primärärztliche Versorgungszentren haben also eine ausreichende große Patientenfallzahlen, um die übliche Bestimmung von Behandlungsqualität und Kosteneffizienz mit 10%-igen Unterschiede bei Medicare-Patienten mit kostenfreier Behandlung verlässlich durchführen zu können. Damit fehlt ihnen aber ein wichtiges Datum für Qualitätssicherung oder -management bei vielen ihrer Patienten, das sie auch durch eine Absenkung der quantitativen Anforderungen an die Patientenzahl unter die 10-Prozentmarke nicht generieren können.

Wie fast immer, gibt es für den Bereich der ambulanten ärztlichen Behandlung in Deutschland (noch) keine vergleichbare Untersuchung und daher auch keine spezifischen Daten. Wie mehrere Analysen der letzten Jahre zeigten, konzentriert sich das Krankheitsgeschehen der meisten Patienten von Allgemeinärzten zwar auf relativ wenig Diagnosen. Dahinter verbergen sich aber vor allem in der durchschnittlichen Einzelarztpraxis (2005 waren noch 63% aller Praxen Einzelpraxen, was mittlerweile weniger sein dürften) eine je nach Diagnose absolut rasch kleiner werdende Anzahl von Personen, die eine Qualitätsüberprüfung auf dem US-Niveau der 10%-Unterschiede auch unmöglich machen:

• In der DETECT-Studie von 2007 war die häufigste Diagnose der Bluthochdruck, der bei 35,5% der TeilnehmerInnen an einer Basisuntersuchung diagnostiziert wurde. Auf den weiteren Häufigkeitsrängen landeten erhöhte Bluttfertwerte (29,5%), Übergewichtigkeit/Adipositas (32,9%) oder die koronare Herzkrankeit (12,1%). Depressionen waren mit 10,6% schon seltener und völlig selten war in einer ambulanten Praxis der Schlaganfall (1,7%).
• Im Praxenpanel des "Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland" (ZI-ADT-Panel) der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, das für eine ausgewählte Anzahl von 58 Allgemeinarztpraxen (darunter 49 Einzelpraxen) im KV-Bezirk Nordrhein das Diagnosenspektrum dokumentiert, sah dies im I.Quartal 2008 bei 71.915 PatientInnen so aus: Auf Platz 1 stand auch die essentielle (primäre) Hypertonie (30,9% der PatientInnen), gefolgt von Störungen d. Lipoproteinstoffwechs. u.sonst.Lipidämien (22,9%), Rückenschmerzen (14,3%), Sonstigen nichttoxische Struma (9,8%), der chronischen ischämischen Herzkrankheit (9,8%), dem nicht primär insulinabhäng. Diabet. mell.[Typ-2-Diab.] (9,3%), der Adipositas (8,1%), der akut.Infektion.mehrer.od.n.n.bez.Lokalis.d.ob.Atemwege (7,9%), der sonst. Krankh. v. Wirbelsäule/Rücken, and.nicht klass. (7,1%) und der Gastritis und Duodenitis (6,9%). Auf Platz 25 befand sich dann die Herzinsuffizienz (4,3%) und auf dem letzten Platz 29 somatoforme Störungen (Störungen, die sich eindeutig auf körperliche Störungen zurückführen lassen wie z.B. Erschöpfung,Müdigkeit und bestimmte Schmerzen), die bei 3,8% der PatientInnen von Allgemeinärzten/Hausärzten auftraten. Berücksichtigt man, dass das ZI (siehe dazu den faktenreichen Vortrag eines ZI-Mitarbeiters auf der 54. Gmds-Jahrestagung 2009) eine durchschnittliche Anzahl von 2.045 Patienten pro Praxis (Mehrfachzählungen möglich) im gesamten Jahr 2008 angibt, haben die meisten Praxen bei den meisten Krankheiten zu wenig Patienten für eine methodisch hochwertige Qualitätskontrolle und -sicherung.

Damit besteht trotz der guten normativen Ausgangssituation im deutschen Gesundheitssystem die Gefahr, dass sich Qualitätsmanagement weiter und überwiegend in Untersuchungen zur Struktur- und bestenfalls Prozessqualität erschöpft und mit dem Anbringen von Zertifikaten und Plaketten endet.
Die Ergebnisqualität als wichtigster Indikator für Qualität bliebe dabei - nur jetzt wegen nicht ausreichender Fälle bzw. Patienten - im Dunkeln. Wenn sich dies bewahrheitet, muss sich der Gesetzgeber und die gemeinsame Selbstverwaltung von Krankenkassen und Ärzten rasch einfallen lassen, ob dies mit den einrichtungsübergreifendenb Maßnahmen doch machbar ist oder was sonst noch passieren müsste, um die zitierten Normen und Ziele umsetzen zu können.

Zu der US-Studie "Relationship of primary care physicians' patient caseload with measurement of quality and cost performance" von Nyweide DJ, Weeks WB, Gottlieb DJ, Casalino LP und Fisher ES, die im "Journal of American Medical Association (JAMA)" am 9. Dezember 2009 (302(22):2444-50) erschienen ist, gibt es kostenlos nur ein Abstract.

Einige Auszüge zum Diagnosenspektrum aus dem Buch "Detect: Ergebnisse einer klinisch-epidemiologischen Querschnitts- und Verlaufsstudie mit 55.000 Patienten in 3.000" von Wittchen H.U. und Pieper L. gibt es kostenlos im Internet zum Lesen.

Einige Daten aus dem ZI-ADT-Panel I. Quartal 2008 des Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gibt es kostenlos.

Bernard Braun, 16.3.10