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Zwei-Klassen-Medizin


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Wartezeiten auf einen Arzttermin: Erneut zeigt eine Studie, dass Privatpatienten gegenüber GKV-Versicherten besser gestellt sind

Artikel 1282 Erneut gibt es aus einer Bevölkerungsumfrage Hinweise auf eine Zwei-Klassen-Medizin in der ambulanten Versorgung: Wartezeiten auf einen Arzttermin sind für Patienten selbst dann, wenn sie akute Beschwerden haben, deutlich länger, wenn sie in einer Gesetzlichen Krankenkasse sind (durchschnittliche Wartezeit: 8 Tage) als wenn sie privat krankenversichert sind (3 Tage). Im Auftrag des BKK Bundesverbandes wurden im Zeitraum April/Mai 2008 etwa 6.000 Bundesbürger ab 14 Jahren zum Thema "Arztbesuche und Wartezeiten" befragt. Die Ergebnisse dieser repräsentativen Bevölkerungsumfrage beruhen auf 15 detaillierten Fragen, wobei sowohl die Wartezeiten der Patienten beim Arztbesuch als auch die Wartezeiten auf Termine ermittelt wurden.

Wartezeiten in der Praxis sind wohl eher ein Service-Aspekt, sofern diese innerhalb bestimmter Zeitmargen bleiben. Dies ist aber der Fall bei der BKK-Umfrage: GKV-Patienten mit akuten Beschwerden warten in der Praxis im Durchschnitt 35 Minuten, PKV-Patienten 27 Minuten. Etwas anders verhält es sich bei Wartezeiten auf einen Termin. Sofern hier akute Beschwerden vorliegen, kann eine lange Wartezeit gesundheitsriskant sein und stellt in einer Reihe von Fällen wohl einen Versorgungsmangel dar. Und hier zeigen sich nun auch deutliche Unterschiede ja nach Art der Versicherung. Während GKV-Patienten mit akuten Beschwerden im Durchschnitt 8 Tage auf einen Termin warten, sind dies bei Privatpatienten nur 3 Tage. 21% der GKV-Mitglieder warten länger als 7 Tage auf einen Termin, in der PKV sind dies nur 6%.

Noch ein weiteres Ergebnis lässt sich als Hinweis auf eine "Zwei-Klassen-Medizin" interpretieren. Die Frage "Haben Sie schon einmal versucht, beim Arzt einen Termin zu bekommen und Ihnen wurde keiner gegeben?" beantworten GKV-Versicherte deutlich häufiger mit "ja" als PKV-Versicherte: Jedem siebenten GKV-Versicherten ist dies schon einmal widerfahren, wohingegen nur jeder elfte PKV-Versicherte von einer solchen Situation berichtet. Hat man keinen Termin bekommen, dann zumeist mit der Begründung "Wir haben keine Termine mehr frei" (35%). Dabei treten Terminengpässe den Befragten zufolge zum überwiegenden Teil bei den Fachärzten auf (91% vs. 16% Hausärzte).

• Hier ist eine Pressemitteilung der BKK: Gesetzlich Krankenversicherte warten beim Arzt 29 Minuten - Privatversicherte kommen sieben Minuten eher dran
• Hier ist eine PDF-Datei mit allen Ergebnissen, Diagrammen und einer Zusammenfassung: Bevölkerungsumfrage BKK 2008 Thema: Arztbesuche

Die BKK-Umfrage ist aktuell der letzte Hinweis in einer längeren Kette von Studien, die auf eine unterschiedliche Behandlung von GKV- und PKV-Versicherten bei Wartezeiten hingewiesen haben.
• 2006 hatte eine Umfrage des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) gezeigt: Trotz akuter Beschwerden musste jeder vierte gesetzlich Versicherte (25%) beim letzten Arztbesuch mindestens zwei Wochen auf einen Behandlungstermin warten. Bei privat Versicherten mit Beschwerden war dies nur bei 8% der Fall. (vgl. Wartezeiten beim Arzt: GKV-Versicherte warten länger als Privatpatienten)
• In einer Umfrage des Gesundheitsmonitor der Bertelsmann-Stiftung wurden diese Befunde weitgehend bestätigt. "Es gibt keine Unterschiede zwischen gesetzlich und privat Versicherten bei der Wartezeit auf einen Termin bei einem Hausarzt, jedoch bei der Wartezeit in der Hausarztpraxis, für einen Termin beim Facharzt und in seiner Praxis. (...) Negative gesundheitliche Folgen aufgrund von Wartezeiten werden wahrscheinlicher, wenn der Patient an einer im Alltag einschränkenden Krankheit oder einer schweren akuten Erkrankung leidet." (vgl. Martin Schellhorn: Vergleich der Wartezeiten von gesetzlich und privat Versicherten in der ambulanten ärztlichen Versorgung)
• Auch eine experimentelle Studie von Wissenschaftlern der Universitäten Köln und Hall (Österreich) hat zu keinem anderen Befund geführt. Telefonanrufe bei Fachärzten, in denen um einen Termin für eine bestimmte Behandlung oder eine diagnostische Leistung gebeten wurde, ergaben für Versicherte in der GKV etwa dreimal so lange Wartezeiten wie für Privatpatienten. (vgl. Neue Studie: Kassenpatienten warten dreimal so lange wie Privatpatienten auf einen Arzttermin für planbare Behandlungen)
• Und unlängst wurde deutlich, dass auch im stationären Sektor bei der Vereinbarung von Terminen Unterschiede zwischen Patienten gemacht werden, je nachdem, ob es Kassen- oder Privatpatienten sind. In Krankenhäusern hatten gesetzlich Versicherte eine rund 20 Prozent längere Wartezeit für einen Behandlungstermin als privat Versicherte. (vgl. Neue Befunde zur Zwei-Klassen-Medizin: Auch auf eine Krankenhaus-Behandlung warten GKV-Versicherte länger)

Die Sachlage ist damit eindeutig, Forschungsbedarf besteht jedoch noch ganz deutlich in der Interpretation der empirischen Befunde. Handelt es sich bei Wartezeiten tatsächlich nur um ein Komfort- oder Service-Merkmal, wie Gesundheitsministerin Ulla Schmidt erklärt hat (vgl. Diskussion um ungleiche Wartezeiten hält an) oder sind hier gravierende Hinweise auf eine Ungleichbehandlung in der medizinischen Versorgung gegeben?

Gerd Marstedt, 28.6.2008