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Patienten
Zwei-Klassen-Medizin


Keine ökonomisch motivierte Medizin in Krankenhäusern!? Aber "besonders auffällige Mengenentwicklungen" müssen erforscht werden! (14.10.13)
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Gesundheitsversorgung und Krankenversicherungsschutz für Frauen in den USA - bedarfsfern, unsozial und unwirtschaftlich. (18.5.11)
Innenleben der "Zwei-Klassen-Medizin: Arzneimittel und PKV=wirtschaftlich, innovativ, wirksam, qualitativ hochwertig? Eher nicht! (27.4.10)
Australische Studie stellt große soziale Ungleichheit fest bei der Versorgung von Patienten mit Angina pectoris (13.1.10)
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Der Verzicht auf medizinische Versorgungsleistungen: In unteren Sozialschichten weitaus stärker ausgeprägt (3.5.09)
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Oberschicht-Angehörige erhalten nach einem Herzinfarkt öfter eine bessere medizinische Versorgung - und leben danach länger (5.2.2008)
Arme Kassenpatienten, glücklich, wer privat krankenversichert ist? (4.12.2007)
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Arme Kassenpatienten, glücklich, wer privat krankenversichert ist?

Artikel 1038 Wenn eine private Versicherungsagentur wie die MLP AG, die eine finanziell potente, akademische Zielgruppe als Kunden im Blick hat, eine Meinungsbefragung zum Thema gesundheitliche Versorgung in Auftrag gibt, was könnte herauskommen? Ganz klar: Die Mehrheit der Bevölkerung hält die Private Krankenversicherung für besser als die Gesetzliche. Und wie wird dieses Umfrage-Ergebnis verkauft? Natürlich nicht als schlichtes Umfrageergebnis, sondern als "Offenbarung".

Die Schlagzeile der Pressemitteilung "MLP Gesundheitsreport offenbart: Deutsche fühlen sich zunehmend schlecht versorgt" verrät zunächst allerdings noch wenig über die verborgene Botschaft der Versicherungsagentur, die knapp 700.000 meist gut betuchte Akademiker zu ihren Kunden und 2.500 freiberufliche Vertreter zu ihren Beschäftigten zählt. Zwar hatte das Unternehmen in der jüngeren Vergangenheit auch Sorgen und Nöte, doch hier werden vorrangig die Sorgen und Nöte des kleinen Mannes und sein unentwegter Verdruss über das deutsche Gesundheitssystem bedient. Natürlich "beurteilen die Bundesbürger die aktuelle Gesundheitsversorgung zunehmend kritisch", selbstverständlich ist auch "die Skepsis gegenüber der künftigen Entwicklung des Gesundheitssystems weiter gestiegen" und damit nicht genug: "Sorgenvoll blicken die meisten Deutschen zudem auf die Entwicklung in der Pflegeversicherung".
Ist dieses bedrohliche Menetekel erst einmal in groben Umrissen an die Wand gemalt, kommen einige Details dazu, die auch schon andeuten, wo die Lösung zu finden ist. "Lediglich 57 Prozent (...) sind der Überzeugung, im Krankheitsfall ausreichend abgesichert zu sein", "... mehr als jeder Dritte (beurteilt) den eigenen Versicherungsschutz zumindest in Teilbereichen skeptisch" und "gut drei Viertel der Befragten erwarten, dass es immer mehr zu einer Zwei-Klassen-Medizin kommt."

Und dann folgen die Kernbotschaften der beim Institut für Demoskopie Allensbach von der MLP in Auftrag gegebenen Umfrage: "Private Krankenversicherung wird deutlich positiver beurteilt. Wie ist man im Krankheitsfall besser abgesichert? 64 Prozent sind der Überzeugung, dass dies in der privaten Krankenversicherung (PKV) der Fall ist; sogar unter den ausschließlich gesetzlich Versicherten vertreten 61 Prozent diese Meinung. Insgesamt würden derzeit 22 Prozent der gesetzlich Versicherten gerne in die PKV wechseln - sieben Prozentpunkte mehr als vor zwei Jahren. Für einen Wechsel spricht aus ihrer Sicht, dass man 'als Privatpatient in vielen Dingen besser gestellt' ist (92 Prozent). Ein weiterer Grund ist die Tatsache, weniger von den Entscheidungen des Gesetzgebers abhängig zu sein (59 Prozent). Innerhalb der Gesetzlichen kommt ein Wechsel der Krankenkasse für 29 Prozent in Frage, weitere 13 Prozent sind hier 'unentschieden'. Gleichzeitig ist das Interesse an privaten Zusatzversicherungen - vor allen für Zahnersatz und Sehhilfen - deutlich auf 40 Prozent gestiegen (1997: 23 Prozent)."

• Hier ist die Pressemitteilung der MLP: MLP Gesundheitsreport offenbart: Deutsche fühlen sich zunehmend schlecht versorgt
• Hier ist die Präsentation zum MLP Gesundheitsreport 2007 (PDF mit Diagrammen zu einzelnen Fragen, 43 Seiten, anlässlich der Pressekonferenz vom 21. November 2007)

Wie es scheint, haben einige Studien über längere Wartezeiten auf Arzttermine bei gesetzlich Krankenversicherten im Vergleich zu Privatpatienten in der Bevölkerung zu einer pauschalen Schlussfolgerung geführt: Privat ist besser als gesetzlich. (vgl. "Wartezeiten beim Arzt: GKV-Versicherte warten länger als Privatpatienten"). Empirische Belege, dass auch bei der Versorgungsqualität solche Unterschiede bestehen, gibt es bislang jedoch keine. Eher im Gegenteil: Ein Bericht des Journalisten und Arztes Magnus Heier, der in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung unter dem Titel "Privatpatienten: In den Klauen der Halbgötter" und auch in der Zeitschrift "Capital" ("Risiko Privatpatient") veröffentlicht wurde, deutet an, dass bei privat versicherten Patienten:
• oftmals eine "Überdiagnostik und Übertherapie" feststellbar ist, also die Durchführung medizinisch unnötiger, aber finanziell einträglicher Untersuchungen,
• das Innovationsrisiko modernster Arzneien besteht, also eine Verschreibung neu auf den Markt gekommener Arzneimittel, über deren langfristige Risiken und Wirkungen in Kombination mit anderen Mitteln noch wenig bekannt ist,
• die Psychofalle überflüssiger Informationen besteht, also ein Geschäft mit der Angst gemacht wird: Aufwändige Untersuchungen führen zu gefundenen Normabweichungen, die keinen Krankheitswert haben, aber eine weitere Kaskade von Diagnostik einleiten.

Der Hintergrund dieser Praxis laut FAZ.NET: "Eine Kassenarztpraxis ist seit Jahren "gedeckelt", das heißt, sie darf nur so viel Umsatz machen wie im letzten, vorletzten und vorvorletzten Jahr (mit nur minimalen Abweichungen). Der einzige Spielraum, den der Kassenarzt hat, sind die selbst zu zahlenden Zusatzangebote (die sogenannten IGEL-Leistungen) - und die Privatpatienten. Jede zusätzliche Untersuchung, jede Behandlung bringt Honorar. Und so ist es weder überraschend noch neu, dass dieser wirtschaftliche Ausweg genutzt wird."

Hier ist der Artikel von Magnus Heier "Privatpatienten: In den Klauen der Halbgötter" (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 24.06.2007, Nr. 25 / Seite 65)
Sein Aufsatz in der Zeitschrift Capital, Ausgabe 19/2007 ist online leider nicht verfügbar.

Gerd Marstedt, 4.12.2007