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Patienten
Diagnosebezogene Fallgruppen DRG


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Ärztearbeit unter DRG-Bedingungen: Mehr Bürokratie, weniger Ganzheitlichkeit und Zuwendung, unzulängliche Entlassungen

Artikel 0722 Wirkt sich die seit 2003 laufende und planmäßig 2009 abgeschlossene Einführung der so genannten "Diagnosis Related Groups (DRG)" als neuem Klassifikations- und Abrechnungssystem für Krankenhausleistungen auf die Arbeitsbedingungen der Ärzte aus und wenn ja wie?
Dies ist eine Frage des seit 2002 von der Böcklerstiftung, der Gmünder Ersatzkasse (GEK), Ver.di und der Landesärztekammer Hessen geförderten und noch bis 2008 laufenden Forschungsprojektes des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) und des Zentrums für Sozialpolitik (ZeS) der Universität Bremen über den "Wandel von Pflege und Medizin im DRG-System (WAMP)". In diesem Projekt wird ebenfalls danach geforscht, wie sich die DRG-Einführung auf die Versorgungsqualität der Patienten und die Arbeitsqualität der Pflegekräfte in Krankenhäusern auswirkt. Die Ergebnisse der Berliner und Bremer ForscherInnen basieren auf mehrfachen schriftlichen Befragungen von Patienten, Pflegekräften und Ärzten, auf zwei zeitlich getrennten Wellen qualitativer Interviews in vier Krankenhäusern und auf Routinedaten der GEK über die bei ihr versicherten Patienten und Pflegekräfte.

Zu den mehreren materialreichen Zwischenberichten des Projekts aus dem Bereich Patienten und Pflegekräfte, auf die auch im Forum-Gesundheitspolitik hingewiesen wird, gesellt sich nun seit April 2007 das "WZB-Diskussion Paper" Nr. 2007-301 von Sebastian Klinke, das auf 137 Seiten den Teil II der "Detailergebnisse einer Befragung Hessischer Krankenhausärzte im Jahre 2004" zur Frage der "Auswirkungen des DRG-Entgeltsystems auf Arbeitsbedingungen und berufliches Selbstverständnis von Ärzten und die Versorgungsqualität in deutschen Krankenhäusern" vorstellt.

Zu den wichtigsten Ergebnissen zählen die folgenden Wahrnehmungen, Erfahrungen und Antworten der Ärzte:

• Bedingt durch die neue Arbeit der Verschlüsselung, Qualitätsdokumentationen und wachsende Notwendigkeit Behandlungsentscheidungen gegenüber Kassen und MDK zu begründen, wird Arbeitszeit gebunden, was tendenziell zu Lasten der Patientenversorgung geht, weil weniger Zeit für notwendige Gespräche zur Verfügung steht. Die meisten Ärzte verbringen 3-6 h täglich mit medizinischen Tätigkeiten, während administrative Aufgaben 2-3 h pro Tag in Anspruch nehmen. Durchschnittlich verbringen Ärzte 4,3 h je Arbeitstag mit medizinischen Tätigkeiten, gefolgt von 2,1 h administrativen Tätigkeiten, 1,4 h Patienten-/Angehörigengesprächen und 1,2 h Verfassen von Arztbriefen, 0,6 h Literaturstudium sowie 0,5 h Forschungsarbeiten. Festzuhalten bleibt, dass derzeit zwei Stunden medizinische Arbeit im engeren Sinne durchschnittlich etwa eine weitere Stunde administrative Arbeit nach sich ziehen. In Bezug auf die Krankenhausgröße zeigt sich, dass KH mit über 1000 Betten ihre Ärzte überdurchschnittlich mit administrativen Aufgaben belasten, während in KH mit 201-300 Betten der administrative Aufwand am geringsten ist. Leitende Ärzte verwenden einen besonders hohen Anteil ihrer Arbeitszeit für administrative Aufgaben. Leitende Oberärzte leisten sogar einen höheren Anteil als Chefärzte - sowohl für sich allein als auch im Verhältnis zur medizinischen Tätigkeit betrachtet. Diese Mehrbelastung liegt bei ca. 30 % und ist hochsignifikant.

• 86 % der Ärzte sind mehr oder weniger dagegen, dass man aus " Kostengründen Patienten effektive Leistungen vorenthalten muss", 56 % davon lehnen Rationierung ganz ab. 3,7 % sind jedoch für uneingeschränkte Rationierung und weitere 10 % sind eingeschränkt für Rationierung. Mit dem Satz "Ärzte müssen alles tun, was gesundheitlich notwendig ist und wirtschaftliche Fragen nachrangig berücksichtigen" waren hingegen nur 71 %. (25 % "voll" und 47 % "eher") einverstanden. Verglichen mit der Rationierungsfrage wird die uneingeschränkte Meinung statt von 56 %, nur noch von 25 % der Krankenhausärzte vertreten.

• Unter DRG-Bedingungen steht durch die Beschleunigung der Abläufe noch mehr als bisher die Ganzheitlichkeit der Behandlung in Frage. Nur 14 % der Befragten sind der Meinung, dass sie ihren Patienten genügend soziale und emotionale Zuwendung zukommen lassen. 52 % sind zumindest eingeschränkt der Ansicht, ihren Patienten grundsätzlich soziale und emotionale Zuwendung zukommen zu lassen. Für 31 % ist dies grundsätzlich eher nicht der Fall und für drei % der Ärzte gar nicht. Den Pflegenden wird ebenfalls häufig attestiert, dass sie den Patienten zu wenig (32 %) oder gar keine (3 %) soziale und emotionale Unterstützung zu teil werden lassen.

• Ein Ziel der Einführung eines DRG-Systems war die Liegezeitverkürzung: 2004 wurde der Entlassungszeitpunkt von 13 % der Ärzte als zu spät und für 21 % der Ärzte als zu früh betrachtet. In Häusern, die bereits unter DRG-Bedingungen abrechneten werden nach der Einschätzung der Ärzte deutlich weniger Patienten zu spät, und mehr Patienten zu früh entlassen. Der Anteil derjenigen, die zum richtigen Zeitpunkt entlassen werden, blieb unverändert.

• Je früher das Genesungsstadium der Patienten bei der Entlassung, desto wichtiger wird das Entlassungsmanagement: 55 % der Ärzte kooperieren mit Reha-Einrichtungen im Rahmen von Entlassungs- oder Überleitungsmanagement, von 40 % der Befragten wird die Kooperation als gut eingeschätzt. Mit ambulanter Pflege kooperieren Abteilungen in 48 % (31 % "gut") 46 % kooperieren mit Einrichtungen der stationären Pflege (25 % "gut"). Jedoch nur in den Abteilungen von 31 % der Befragten wird mit niedergelassenen Ärzten zusammengearbeitet, was nur von 18 % als "gut" eingestuft wird. Durchgängig hat sich damit bestätigt, was bereits die qualitativen Befunde nahe legten: Die Entlassung aus dem Krankenhaus in den ambulanten Bereich ist häufig ein Black-Box-Verfahren.

• Zumindest in einzelnen Häusern oder Abteilungen haben implizite Formen der Rationierung ein Ausmaß erreicht, das eindeutig zu Nachteilen für die Qualität der Patientenversorgung führt.

Das vollständige WAMP-Diskussionspapier von Sebastian Klinke kann als PDF-Datei kostenlos hier heruntergeladen werden.

Bernard Braun, 6.6.2007