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Patienten
Shared Decision Making, Partizipative Entscheidungsfindung


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Der Wunsch nach partizipativer Entscheidungsfindung beim Arzt: Eine große Rolle spielt das Krankheitsbild

Artikel 0829 Die Mehrheit der Patienten möchte heute bei Therapieentscheidungen einbezogen werden, dies ist keine neue Erkenntnis. In welchem Ausmaß dies der Fall ist, hängt jedoch sehr stark ab vom Krankheitsbild und davon, wie vertraut man mit Symptomen, Ursachen und Risiken einer Krankheit ist. Dies hat jetzt eine Studie von Wissenschaftlern der Universität Toronto (Kanada) bei einer Befragung von über 2.700 Patienten ergeben, die wegen unterschiedlicher Erkrankungen im kanadischen Distrikt Ontario in Behandlung waren.

Die Erkrankungen der Untersuchungsteilnehmer waren unterschiedlich schwer wiegend: Brustkrebs, Prostata-Erkrankungen, Knochenbruch, Inkontinenz, HIV, Gutartige Prostatavergrößerung, Orthopädische Erkrankungen, Herz- oder rheumatische Erkrankungen, Unfruchtbarkeit (nur Frauen) und Multiple Sklerose. Zur Kontrolle wurden außerdem Krankenschwestern, die noch in der Ausbildung waren, einbezogen. In der Befragung wurde neben sozialstatistischen Daten und dem Krankheitsbild vor allem untersucht, in welchem Ausmaß sich die Patienten eine Beteilung an Therapie-Entscheidungen wünschen.

Dafür entwickelten die Forscher ein theoretisches Konzept, das über die gängige Erfassung von Patientenwünschen zum "Shared Decision Making" hinausgeht. Üblicherweise wird hier gefragt, ob man in Situationen, in denen beim Arzt eine Entscheidung ansteht, diese Entscheidung dem Arzt überlassen möchte, alleine entscheiden möchte oder gemeinsam mit dem Arzt. Die Forschungsgruppe geht jedoch davon aus, dass die angesprochene Situation zumindest zwei unterschiedliche Dimensionen beinhaltet: Die Problemlösung und die Entscheidung. Für beide können ihrer Ansicht nach unterschiedliche Patienten-Optionen gewählt werden.

Unter "Problemlösung" verstehen sie Fragen wie unter anderem: Wer sollte entscheiden, welche Krankheitsursachen maßgeblich sind, welche Behandlungsmöglichkeiten offen stehen, welche Risiken und Nutzen gegeben sind? Unter "Entscheidung" ordnen sie zwei Fragen ein: Wer sollte entscheiden, wie groß Nutzen und Risiken für den Patienten in besonderem Fall sind? Wer sollte entscheiden, welche Therapie dann gewählt wird?



Die für beide Dimensionen jeweils bevorzugten Patientenwünsche zum Shared Decision Making (Arzt entscheidet, Patient entscheidet, beide entscheiden) erfragten sie dann für zwei unterschiedliche Problemsituationen. Einmal wurde das bei einem Patienten tatsächlich gegebene Krankheitsbild in die Frage einbezogen, einmal wurde eine fiktive Situation gewählt, nämlich seit drei Tagen bestehende Schmerzen in der Brust. Überraschend war zunächst, dass so gut wie kein Befragungsteilnehmer (0-2%) für beide Dimensionen (Problemlösung und Entscheidung) an einer alleinigen Patientenentscheidung interessiert war. Das "passive Antwortmuster" (Arzt entscheidet durchweg) war (mit 20-34%) auch nicht quantitativ vorherrschend. Am häufigsten gewählt wurde die Variante: Die Problemlösung ist primär Sache des Arztes, die Entscheidung Sache des Patienten. Am zweithäufigsten tauchte die Variante auf: Für beide Aspekte wird eine gemeinsame Entscheidung von Arzt und Patient getroffen.

Bei der Betrachtung einzelner Patientengruppe nach Art der Krankheit (siehe Grafik) zeigten sich dann massive Unterschiede: Fasst man die beiden zuletzt genannten Antwortmuster zu einer Kategorie "partizipative Lösung" zusammen, dann wählen (für die Problemsituation: eigene Erkrankung) Brustkrebs-Patientinnen nur zu 64% dieses Antwortmuster, während zugleich 36% dieser Gruppe eine passive Lösung wählen. Ähnliche Antwortverteilungen findet man auch für Prostataerkrankungen, während umgekehrt bei rheumatischen oder orthopädischen Erkrankungen oder MS passive Tendenzen eher selten auftreten und irgendeine Form der Beteiligung von über 80% gewünscht wird.

Die Forscher geben zwar keine Interpretationen ab, ob die unterschiedlichen Antwortmuster direkt mit der Art der Erkrankung zusammenhängen. Es könnte jedoch sein, dass mit dem Grad der Beunruhigung und Verängstigung durch eine bestimmte Krankheitsdiagnose und der geringeren Kenntnis von Risiken auch die Tendenz wächst, Entscheidungen dem Arzt zu überlassen. Dafür spricht auch das Ergebnis, dass in der fiktiven und unbekannten Problemsituation (seit 3 Tagen Schmerzen in der Brust, Grafik obere Hälfte) der Anteil derjenigen Studienteilnehmer sehr viel höher ausfällt, der sich in eine passive Rolle begibt und dem Arzt alleine Entscheidungen überlässt.

Ein Abstract der Studie ist hier nachzulesen: Do people want to be autonomous patients? Preferred roles in treatment decision-making in several patient populations (Health Expectations 10 (3), 248-258.)

Gerd Marstedt, 30.7.2007