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Versorgungsforschung: Geburt, Kaiserschnitt


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"Kind mit 38 oder 43?" Hochriskant für Mutter und Kind oder eher nicht!?

Artikel 2524 Ein Teil der immer noch rund 70% aller Schwangeren, die nach den im Mutterpass aufgelisteten Indikatoren eine "Risikoschwangerschaft" durchmachen, sind dies aufgrund ihres Alters von über 35 Jahren. Und dass es sich nicht um ein abstraktes Risiko handelt, bestätigt scheinbar zwingend eine Reihe von gesundheitlichen Störungen (z.B. Downsyndrom, Karzinome), die bei Kindern älterer häufiger als bei denen jüngerer Mütter auftreten. Sollten also Frauen über 35 Jahre zum Wohle ihrer Kinder generell von Schwangerschaften absehen und/oder besser ein paar Jahre früher schwanger werden? Und müssen sie, wenn sie dies nicht tun, ein Leben lang ein schlechtes Gewissen haben?

Wenn man die Ergebnisse einer gerade veröffentlichen Längsschnittanalyse der Gesundheit und Lebensqualität von über 1,5 Millionen in Schweden zwischen 1960 und 1991 geborenen männlichen und weiblichen Kinder betrachtet, lässt sich diese Frage nicht mehr eindeutig bejahen und entlastet Frauen, die sich dennoch für ein "Kind mit 38" entscheiden, zumindest von einem Teil des selbstgeschaffenen oder oktroyierten schlechten Gewissens.

Das deutsch-britische Forscherteam untersuchte die Beziehungen zwischen dem Alter der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt ihrer Kinder, deren späterer Größe und Gewicht, körperlicher Fitness, Leistungsniveau in der weiterführenden Schule und höchstem Bildungsabschluss. Diese Indikatoren gelten als Indikatoren bzw. Proxies (Hilfsvariablen, Stellvertretermerkmale) für die Gesamtgesundheit, die Chancen auf dem Arbeitsmarkt und die Gesamtheit der Lebenschancen ("lifetime opportunities").
Die Daten erlaubten dann Vergleiche dieser Faktoren zwischen den im frühen Lebensalter der Mutter geborenen Kindern und ihren im höheren Lebensalter der Mutter geborenen Geschwistern.

Das wesentliche Ergebnis mehrerer unterschiedlich nach Makro- und Mikromerkmalen von Eltern und Kindern adjustierten Berechnungen lautet, dass die im höheren Lebensalter geborenen Kinder gemessen an den Indikatoren entweder signifikant gesünder, größer und bildungsbezogen und damit auch bei den Beschäftigungschancen bessergestellt (längere Schulzeiten mit höheren Abschlüssen) sind als ihre älteren, früher im Leben ihrer Mütter geborenen Geschwister oder zumindest nicht signifikant schlechter gestellt sind: "We find that the total effect of increasing maternal age—which includes individual-level factors such as reproductive aging and changing social resources, as well as the positive impact of improving macro-level period conditions—is consistently positive." Die Einflussstärke der sozialen Makrobedingungen ist so stark, dass die festgestellten positiven Effekte für die Spätergeborenen selbst bei durchweg negativem Gewicht der individuellen Bedingungen auftreten.

Und noch deutlicher:

• "In fully adjusted models that remove the influence of the positive time trend, we found no substantively or statistically significant disadvantage for outcomes in adulthood for those born to older mothers, not even for those born to mothers aged 45 or older."
• "Nevertheless, in absolute terms, offspring who are born to an older mother in contemporary Sweden and survive to adulthood do better than their older siblings who were born when their mother was at her peak level of reproductive health."

Trotzdem sie damit erheblich das eingangs erwähnte schlechte Gewissen älter gebärenden Frauen und ihrer Partner reduzieren helfen, weisen die ForscherInnen auf zwei Einschränkungen hin: Erstens könnte es sich bei den Müttern mit mindestens zwei Kindern um "strong mothers" mit "relatively robust babies" handeln, was einen Teil der positiven Ergebnisse der jüngeren Kinder erklären könnte. Zweitens können und wollen sie angesichts einer Reihe von auch zitierten Querschnitts- und Beobachtungsstudien, die immer noch ein höheres Risiko einer schweren Geburt und von negativen gesundheitlichen Zuständen der von älteren Müttern geborenen Kindern belegen, keine "policy recommendation that it is better for women to delay childbearing to an older age" geben.

Sie empfehlen aber, dass Frauen, die über ein Kind nachdenken, die Erkenntnisse ihrer Studie bei ihrer Entscheidung für oder gegen ein Kind und/oder nachdem sie schwanger sind oder ein Kind geboren haben, mitbedenken.

Ergänzend ist festzuhalten, dass diese Erkenntnisse streng genommen nur für Mütter mit einem früh- und einem spätgeborenen Kind gelten und nicht für ein einziges Kind im Mutteralter von 38 oder 43 Jahren.

Diese Studie zeigt dreierlei: Sie motiviert auch bei anderen gewichtigen handlungsleitenden gesundheitsbezogenen Erkenntnissen skeptisch zu sein und sie gründlich zu hinterfragen. Sie zeigt außerdem, dass häufig Verlaufsbetrachtungen negative aber auch positive Ergebnisse aus Querschnittsanalysen widerlegen oder erheblich abmildern können. Und schließlich sollten bei gesundheitsbezogenen Studien mit Aussagen zu biografischen Risiken nicht nur individuelle Mikrofaktoren, sondern auch Bedingungen auf der sozialen Makroebene mitberücksichtigt werden.

Die 26 Seiten umfassende Studie Advanced Maternal Age and Offspring Outcomes: Reproductive Aging and Counterbalancing Period Trends von Kieron Barclay und Mikko Myrskyl ist in der Fachzeitschrift "Population and Development Review" (2016; 42 (1)) erschienen und komplett kostenlos erhältlich.

Bernard Braun, 17.5.16