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USA: Transparenz über Interessenkonflikte und -kollisionen in der öffentlichen Gesundheitsforschung unvollständig und unzulänglich

Artikel 1105 Das Gesundheitswesen ist in den meisten der entwickelten Staaten einer der größten Wirtschaftsbereiche, d.h. dort werden im Durchschnitt 10% des Bruttoinlandsprodukts ausgegeben, arbeiten über 10% aller Erwerbstätigen und werden konstant hohe Gewinne erzielt.

Um diesen Zustand halten oder gar noch ausbauen zu können, wird im Gesundheitswesen auch außergewöhnlich viel geforscht. Über was, wofür und in wessen Interesse geforscht oder auch nicht geforscht wird, entscheidet in hohem Maße über die Art, Qualität und den Umfang der künftigen Gesundheitsversorgung mit. Neben der Forschung der verschiedensten Leistungsanbieter (z. B. Versicherungen, Pharmaindustrie, Medizintechnikindustrie) gibt es in den entwickelten Ländern auch eine umfangreiche, aus Steuergeldern finanzierte Forschung. Mit ihr sollen teilweise explizit die Forschungslücken geschlossen werden, die dadurch entstehen können, dass bestimmte Themen oder Problemfelder (z. B. Behandlung von seltenen Krankheiten oder Versorgungsangebote für Kranke in armen Ländern) für Unternehmensforschung finanziell uninteressant sind. Wird mit öffentlichen Geldern erfolgreich geforscht und dabei neue Produkte oder Prozeduren entwickelt, kann natürlich das Interesse privater Anbieter an der Nutzung, anbieterspezifischen Ausrichtung des Forschungs-Outcomes und möglichst den einzelnen Gewinninteressen dienenden Vermarktung rasch zunehmen.
Unter dem harmlosen Etikett von "public-private-partnership" investieren in solchen Konstellationen häufig private Anbieter in genau dieselbe zunächst noch öffentlich betriebene Forschung. Wie oft dies geschieht, wie umfangreich solche Mischfinanzierungen sind und ob und zu welchen finanziellen und inhaltlichen Interessenkonflikten es kommt, ist daher von hohem öffentlichem Interesse.

Wie unzulänglich allein schon die Transparenz darüber ist, dokumentiert für die USA der am 17. Januar 2008 vom "Office of Inspector General" des US-"Department of Health and Human Services (DHSS)" veröffentlichte 30-seitige Report "National Institutes of Health Conflicts of Health: Conflicts of Interest in Extramural Research".

Die vor allem von den staatlichen "National Institutes of Health (NIH)" (mit 27 einzelnen Instituten und Zentren) an öffentliche und private Universitäten und Forschungsinstitute vergebenen gesundheitsbezogenen Forschungsmittel betrugen 2007 mehr als 23 Milliarden US-$. Dafür wurden über 50.000 Zuschüsse an mehr als 325.000 WissenschaftlerInnen an über 3.000 Universitäten bezahlt. Dabei ist von vornherein davon auszugehen, dass jeder Zuschuss nur einen Teil des Forschungsaufwandes finanziert und dieser nur mit weiteren Zuschüssen, Stipendien oder Spenden bewältigt werden kann.

Die damit verbundenen Interessenkollisionen werden allgemein immer wieder angesprochen und weder das Engagement von Arzneimittel- oder Geräteherstellern an Universitäten noch die Existenz von Konflikten sind Geheimnisse.
Ein Bericht der New York Times vom 19. Januar 2008 zu diesem Thema ("Researchers go unchecked, report says" von Gardiner Harris)spitzt dies sogar mit der Bemerkung zu, die US-"Food and Drug Administration" (u.a. für die Zulassung von Arzneimitteln in den USA zuständig) habe sich "complained that it has difficulty finding experts for its advisory boards who do not have a conflict".

Nach einigen offenkundigen finanziellen Interessenskonflikten in den Jahren 2004 und 2005, hatten die NIH für die bei ihnen direkt beschäftigten Wissenschaftlern ein hartes Regelwerk über den Umgang mit Interessenkonflikten im Bereich der medizinischen Forschung eingeführt. Ihren ForscherInnen ist beispielsweise ohne Einschränkungen eine gleichzeitige Arbeit im Auftrag oder Beratung zugunsten von Arzneimittel- oder Medizintechnikherstellern verboten.

Einen ersten Überblick gibt ein kurzes Memorandum der "ethics rules" des NIH-Direktors Zerhouni. Ausführlichere Informationen und die entsprechenden Dokumente des mehrjährigen Verständigungsprozesses gibt es auf der speziellen Website "Conflict of Interest Information and Resources" des NIH.

Das zentrale Problem dieser inhaltlich akzeptablen Regeln ist, dass sie nur für "intramural"-Forschung und Forscher gilt. 80% des 29 Milliarden-Budgets der NIH für Forschung werden aber zur Unterstützung von "extramural"-Forschern an Universitäten etc. ausgegeben. Für diesen Teil der öffentlichen Forschungsfinanzierung gelten die Regeln nicht und es besteht aktuell noch nicht einmal ein Überblick über die Häufigkeit solcher Konflikte.

Damit beschäftigt sich nun der aktuelle Report des "inspector general" kritisch und deckte u.a. folgende Probleme auf:

• Obwohl die NIH praktisch keine Übersicht zu den conflict-of-interest von Forschern und Forschungseinrichtungen haben, denen sie öffentliche Gelder zur Verfügung stellen, hatten sie lediglich ein geringes Eigeninteresse, daran etwas zu ändern. Auf die Bitte, also keine Anweisung, Berichte über solche Interessenskonflikte an das "Office of Extramural Research" zu senden, reagierten viele der 27 Institute gar nicht.
• Die dann beginnenden eigenen Recherchen des DHSS förderten für den Zeitraum 2004 bis 2006 dann immerhin noch 438 solcher Berichte im NIH-Bereich ans Tageslicht. Dabei kam auch heraus, dass es Berichte gab, die von den Instituten nicht an die andere staatliche Behörde geschickt wurden. Der "Inspector General" geht auch davon aus, dass es noch deutlich mehr Berichte gibt, die aber nur nicht zentral zusammengetragen werden.
• Davon lieferten aber 89% keine Details über die Natur des Konflikts und berichteten auch nicht wie mit dem Konflikt umgegangen wurde.
• In 30 Berichten wurden detailliert finanzielle Interessenkonflikte beschrieben, die u. a. Rechte des geistigen Eigentums an Forschungsergebnisse betrafen. In 15 Berichten fanden sich detaillierte Beschreibungen wie Interessenkonflikte gemanagt, reduziert oder beseitigt wurden.
• Die NIH-Direktorin für die extramurale Forschung, Ruiz Bravo meinte außerdem, eine höhere Transparenz und Einmischung der NIH in solche Konflikte "would be not only inappropriate but pretty much impossible." Laut NYT schlägt sie trotz der unverkennbaren Wahrscheinlichkeit massiver Interessenkollisionen unter den universitären ForscherInnen stattdessen vor: "I think it is working to the extent that people are being honest and I think most people are honest."

Der Bericht empfiehlt statt des uneingeschränkten Vertrauens in die Ehre und Ehrlichkeit von Professoren mehr Transparenz und Kontrolle. Dazu fordert sie die NIH auf, zukünftig eine aktive Rolle bei der Beschaffung und Auswertung von "conclict-of-interest"-Reports zu spielen und zu versuchen, das intramurale Verständnis zur Vermeidung von Interessenkollisionen auch außerhalb ihrer Mauern zu verbreiten und vielleicht auch zu einem fernen Zeitpunkt durchzusetzen.

Trotz aller berechtigter Kritik an dem faktischen US-System, fehlt in Deutschland selbst ein derart gering wirksames vergleichbar institutionalisiertes Verfahren für die Vergabe öffentlicher Forschungsgelder an öffentliche oder private Einrichtungen im Gesundheitsbereich. Wie die gelegentlich im Rahmen von Publikationen bei den Autorenangaben mitveröffentlichten vielfältigen materiellen Verbindungen von Gesundheitsforschern mit industriellen aber auch körperschaftlichen Akteuren zeigt, gibt es auch in Deutschland genügend Ausgangsstoff für Interessenkonflikte und -kollisionen, den es zumindest systematisch zu sammeln gälte.

Bernard Braun, 19.1.2008