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Deutsche Ärzte erkennen Mängel in der medizinischen Versorgung sehr viel seltener als ihre Kollegen im Ausland

Artikel 0928 Eine Umfrage des Commonwealth Fund bei Primärärzten in insgesamt sieben Ländern hat jetzt aufgezeigt, dass sich deutsche Ärzte in der Kritik des Versorgungssystems, im Hinblick auf wünschenswerte Veränderungen, aber auch hinsichtlich der Patientenkontakte teilweise massiv unterscheiden von ihren ärztlichen Kollegen in anderen Ländern. Die vom Commonwealth Fund initiierte Erhebung wurde im Jahre 2006 in insgesamt sieben Ländern durchgeführt (Australien, Kanada, Deutschland, Niederlande, Neuseeland, Großbritannien und USA). Für Deutschland finanzierte die Umfrage das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Beteiligt haben sich hier insgesamt 1006 niedergelassene Ärzte der Primärversorgung, das sind 20 Prozent der angefragten Mediziner.

Bestätigt wurde in der Umfrage zunächst noch einmal ein Ergebnis, das schon frühere Studien aufgezeigt hatten, das jedoch bezweifelt worden war (vgl. GEK-Studie zeigt: Bei der Zahl der Arztbesuche sind deutsche Patienten führend). Tatsächlich sind deutsche Patienten im internationalen Vergleich besonders häufig beim Arzt. Dies ist jedoch kein Hinweis darauf, dass Deutsche kränker sind als ihre Mitbürger im Ausland. Eher schon könnte dies darauf zurück zu führen sein, dass die Gesprächsdauer beim Arztbesuch hierzulande zeitlich sehr viel kürzer ausfällt, so dass das Bedürfnis entsteht, in weiteren und zusätzlichen Arztterminen Versäumtes nachzuholen, wie zum Beispiel weitere Untersuchungen oder auch Informationen und Erläuterungen. Die Studie hat gezeigt: Deutsche Ärzte sind mit 243 Patienten-Kontakten pro Woche deutlich führend. In den übrigen einbezogenen Ländern liegt diese Zahl nur bei 102-154 Patientenkontakten. Da die wöchentliche Arbeitszeit kaum Differenzen zwischen den Ländern zeigt (etwa 29-32 Stunden in der Woche) ergibt sich daraus für deutsche Ärzte und Patienten eine sehr viel kürzere Gesprächsdauer: Sie liegt in 5 der 7 Länder zwischen 13 und 19 Minuten, in England bei etwa 11 und in Deutschland bei unter 8 Minuten.



Auffällig geworden ist ebenfalls, dass deutsche Ärzte Mängel in der medizinischen Versorgung sehr viel seltener wahrnehmen als ihre Kollegen im Ausland und auch seltener über eigene Behandlungsfehler berichten (vgl. Abbildung). So erklären 67% der deutschen Mediziner, dass Patienten in den letzten 12 Monaten niemals falsche Diagnosen oder Laborbefunde erhalten hätten, in anderen Ländern findet sich diese Selbstgewissheit deutlich seltener (30-55%). Ein ähnliches Bild zeigt sich auch für andere Befragungsaspekte wie Probleme häuslicher Pflege, Krankenhaus-Infektionen oder Wartezeiten auf Termine bei einem Spezialisten oder Krankenhausbehandlungen. Etwa jeder dritte deutsche Arzt (34%) verneint vollständig das Vorkommen von Krankenhaus-Infektionen seiner Patienten im letzten Jahr, in anderen Ländern ist diese optimistische Sichtweise weniger stark ausgeprägt, hier sind es nur 3-19%.

Differenzen finden sich auch, was die Bewertung von Maßnahmen anbetrifft, um die Versorgungsqualität zu verbessern. So sind deutsche Ärzte überaus distanziert, was den Einbezug anderer Berufsgruppen (wie z.B. Krankenschwestern) in das Feld der Patientenberatung anbetrifft. Dieser unlängst auch vom Sachverständigenrat vorgetragene Vorschlag findet nur bei 20% der deutschen Ärzte Zustimmung, im Ausland sind dies mit 30-51% sehr viel mehr. Die knappe Zeit, die der deutsche Arzt aufgrund der Vielzahl von Patientenkontakten für den einzelnen Patienten hat,. schlägt sich dann auch nieder in einer hohen Zustimmung zum Statement "Der Arzt sollte mehr Zeit zur Patientenberatung haben." Hier sind 75% der deutschen im Vergleich zu 44-62% der Ärzte in anderen Ländern der Meinung, dass dies besonders effektiv wäre zur Verbesserung der Versorgungsqualität.

Die Mehrzahl der befragten Ärzte erkennt in den meisten Ländern einen Änderungsbedarf für das jeweilige Gesundheitswesen, doch in keinem Land ist die Unzufriedenheit so ausgeprägt wie in Deutschland: 54% der Ärzte "halten grundlegende Änderungen für nötig" und 42 % bewerten im deutschen System sogar so stark als verkehrt, dass es komplett reformiert werden müsste. Der Anteil der Unzufriedenen liegt damit hierzulande mit 96 % deutlich höher als in den anderen Ländern, in den Niederlanden sind es nur 45 %, in den USA 85 %.

Die Autoren der Studie interpretieren diese Ergebnisse vor einem gesundheitspolitischen Hintergrund: "Die Umfrage fand in Deutschland in einer Zeit kontroverser Diskussion um Reformen des Gesundheitswesens statt. Möglich ist, dass ein Teil der Befragten strategisch geantwortet hat. Wer eine bestimmte gesundheitspolitische Entwicklung wünscht, antwortet eher so, dass er seine Argumentation unterstützt, auch wenn es nicht der Sachlage entspricht."

Offen bleibt damit allerdings noch die Frage, ob die im internationalen Vergleich nur sehr geringe Kritik der deutschen Ärzte an Versorgungsmängeln (und auch die ärztliche Selbstkritik) nun ein Hinweis ist auf tatsächlich sehr viel bessere Versorgungsstrukturen oder eher ein Mangel an Kritikfähigkeit und Veränderungsbereitschaft. Ergebnisse internationaler Systemvergleiche im Gesundheitswesen können können als Beleg für die erste Interpretation leider nur sehr begrenzt herangezogen werden. Die hohe Abneigung der deutschen Mediziner gegen einen Einbezug anderer Berufsgruppen in das Terrain der Patienberatung deutet eher darauf hin, dass doch wohl ein sehr starke Abneigung gegen Veränderungen des status quo vorherrscht.

Der Übersichtsartikel zu den Umfrage-Ergebnissen ist im Deutschen Ärzteblatt nachzulesen: Koch, Klaus; Gehrmann, Ulrich; Sawicki, Peter T.: Primärärztliche Versorgung in Deutschland im internationalen Vergleich: Ergebnisse einer strukturvalidierten Ärztebefragung

Gerd Marstedt, 25.9.2007