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"Mündige Patienten" aus Ärztesicht: Zwischen Idealisierung und Abwertung

Artikel 0700 In seltener Einhelligkeit befinden sich Ärzte, Politiker, Krankenhausmanager, Patientenvertreter und Gesundheitswissenschaftler, wenn vom Patienten als "mündigem Patient" die Rede ist. Der Popularität dieses Bildes vom Patienten entspricht es, wenn ihm dann auch gleich ein Bündel an Aufgaben und Eigenschaften zugewiesen wird, das von mehr Partizipation, über mehr Compliance bis zu mehr finanzieller Verantwortung reicht.

Ob es sich dabei um pure "Sonntags-Rhetorik" oder um ernsthafte Einstellungen, Erwartungen und Verhaltensweisen handelt, versuchte die Berliner Ärztin und Gesundheitswissenschaftlerin Anja Dieterich jetzt für die Ärzte genauer zu klären. Ihre Fragen lauteten: Wie wird der mündige Patient von der Ärzteschaft bewertet? Welche Eigenschaften und Aufgaben werden ihm zugesprochen? Welche Interessen und Ziele werden verfolgt?

Als empirische Grundlage nutzt die Verfasserin 73 in den Jahren 1996 bis 2005 im "Deutschen Ärzteblatt" erschienene Aufsätze, die den "mündigen Patienten" thematisieren. Die Analyse dieser Texte erfolgt mit Methoden der qualitativen Sozialforschung und orientiert sich dabei hauptsächlich an der Diskursanalyse.

Dieterich konzentriert sich auf vier abgrenzbare Stränge der ärztlich-professionellen Sicht auf den mündigen Patienten: "Recht und Ethik", Wissen und Information", Strukturprobleme" und "Finanzierungsfragen".

Das wichtigste Ergebnis ihrer Analyse der Einschätzungen des mündigen Patienten aus ärztlicher Sicht ist deren ausgesprochene Heterogenität. So steht "Idealbildern von aktiven und eigenverantwortlichen Patientinnen und Patienten, die mit ihren Ärztinnen und Ärzten kooperieren…bedrohlichere Szenarien gegenüber, in denen die Ärzteschaft durch überzogene Anspruchshaltungen und Kritik von Patientenseite fachlich infrage gestellt wird und unter Druck gerät".
Entgegen dem populären, homogenen und verallgemeinernden Bild vom "mündigen Patient" wird er in Wirklichkeit je nach Bedarf und Zweck "idealisiert oder abgewertet" oder "abwechselnd als Problem oder als Lösungsvorschlag" für alle möglichen Fragen in Stellung gebracht.

Neben der offensichtlich auch sehr stark situativen oder tagespolitischen Instrumentalisierung des "Wohlfühlbildes" vom mündigen Patienten identifiziert Dieterich auch noch grundlegendere und aus Patientensicht nicht wirklich wünschbare Wirkungen dieses Diskurses:

• So fördert sie Hinweise zutage, dass es sich beim Plädoyer für den "mündigen Patienten" auch um einen strategischen "Lösungsversuch ärztlicher Interessenkonflikte" handelt: "Die Umdeutung von (leidenden) Patientinnen und Patienten zu (anspruchsvollen) Kundinnen und Kunden erleichtert die Auflösung einer als belastend erlebten 'moralischen Dissonanz’ zwischen Patientenerwartungen, eigenen ethischen Wertvorstellungen und erlebten Sachzwängen wie Ressourcenknappheit."
• Auf eine normative Seite des Diskurses über "mündige Patienten" mit enormer praktischer Bedeutung weist Dieterich zum Schluss hin: "Hypothetisch repräsentiert das transportierte Ideal eines eigenverantwortlichen und gut informierten Patienten, der gleichzeitig gesundheitsförderlich, effizient und kostensparend wirksam ist, besser diejenigen Patientengruppen, die über ausreichende Bildungschancen und genügend finanzielle Ressourcen verfügen, d.h. gebildete und gut verdienende - männliche - Angehörige von Mittel- und Oberschicht".
Neben der "Gefahr einer Ausgrenzung sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen" droht aber hinter dem Leitbild des mündigen, das heißt auch selbstbewussten, diskursiven, abwägenden und aktiv handelnden Patienten, der durch das genaue Gegenteil, nämlich Schmerzen, körperliches und psychisches Leiden, Behinderung, Passivität und Regression geprägte Patientenstatus in den Hintergrund zu geraten.

Die 68-seitige Expertise von Anja Dieterich "Eigenverantwortlich, informiert und anspruchsvoll ... Der Diskurs um den mündigen Patienten aus ärztlicher Sicht" kann als WZB-Arbeitspapier 310-2006 auf der WZB-Website heruntergeladen werden.

Bernard Braun, 21.5.2007