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"Warten auf den medizinisch-technischen Fortschritt!?" Das Beispiel "Humane Genome Project"

Artikel 1826 3 Milliarden US-Dollar waren vor rund 10 Jahren in den USA ausgegeben worden, um das aus Sicht von Genetikern und Biologen bedeutendste Projekt für die vollständige Transparenz der menschlichen "Gen-Landkarte" abzuschließen.
Damit sollte die entscheidende Voraussetzung für eine Revolution im Gesundheitswesen geschaffen werden. So meinte der damalige US-Präsident B. Clinton am 26. Juni 2000 bei der Vorlage der ersten Version der Genomkarte, dies würde "revolutionize the diagnosis, prevention and treatment of most, if not all, human diseases." Und der Direktor der Genome-Agency des "National Institutes of Health" der USA war sich damals auch sicher, dass zehn Jahre später, also heute, die genetische Diagnose aller Krankheiten möglich wäre und dass noch einmal 5 Jahre danach gezielte Behandlungen beginnen könnten: "Over the longer term, perhaps in another 15 or 20 years you will see a complete transformation in therapeutic medicine."

Obwohl sich die pharmazeutische Industrie geradezu in die Entwicklung und Herstellung neuer Arzneimittel mit Hilfe einiger Erkenntnisse der Genforschung gestürzt hat, kühlt nicht erst mit dem 10. Jahrestag des Abschlusses der ersten Gesamtübersicht des menschlichen Genoms die damalige Euphorie über den scheinbar grenzenlosen Nutzen dieser Kenntnisse erheblich ab.
Die realen Krankheiten erwiesen sich wider Erwarten hinsichtlich ihrer genetischen Verortung und Bestimmtheit als sehr komplex und uneindeutig. Weder die genetisch basierten Diagnosemöglichkeiten noch eine punktgenaue Therapie, geschweige denn die Verhinderung des Ausbruchs einer Krankheit durch Genscreening und rechtzeitige Intervention sind auch nur in Reichweite. Und selbst dann, wenn dies alles geklärt wäre, wäre bei vielen genetisch disponierten Krankheitsbildern immer noch unklar, wie eigentlich eine ethisch vertretbare Intervention aussehen könnte.

Zum Jahrestag titelte daher die "New York Times" am 12. Juni 2010 "A Decade Later, Genetic Map Yields Few New Cures" und die europäische Ausgabe unterstrich dies am 21. Juni 2010 nochmals nachdrücklich mit dem Titel "Gene map is yielding few new treatments".

In dieser und weiteren Veröffentlichungen spielte eine nahezu zeitgleiche wissenschaftliche Veröffentlichung in der US-Medizinzeitschrift Nr. 1, dem "Journal of American medical association (JAMA)" eine Rolle, in der nachdrücklich gezeigt wurde, wie weit Mediziner und Genetiker eigentlich noch davon entfernt sind, die genetischen Wurzeln selbst einfachster Erkrankungen überhaupt zu finden.

In der vorgestellten Studie eines Bostoner Medizinerteams um Nina Paynter wurde versucht mit Hilfe der Kenntnis von 101 genetischer Konstellationen, die in verschiedenen anderen Gen-Scans statistisch als mit Herzerkrankungen assoziiert bestimmt worden waren, prädiktive Hinweise für den wahrscheinlichen Eintritt einer dieser Erkrankungen mittels eines dazu gebildeten genetischen Risikowertes zu gewinnen. Ob Gen-Informationen dies wirklich verlässlich leisten wurde an einer prospektiven Kohorte von 19.313 weißen Frauen in der so genannten "Women's Genome Health Study"über durchschnittlich 12,3 Jahre hinweg untersucht. Die Zielerkrankungen oder Krankheitszustände, deren Eintreten man dabei beobachtete, waren der Herzinfarkt, Schlaganfall, die Wiederbelebung der Blutversorgung des Herzens und der kardiovaskuläre Tod. Im Untersuchungszeitraum von 12,3 Jahren traten insgesamt 777 dieser kardiovaskulären Krankheitsereignisse auf.

Nach einer Altersstandardisierung und einer Adjustierung der StudienteilnehmerInnen mit einem kardiovaskulären Ereignis nach traditionellen Risikofaktoren gab es keinerlei statistische Assoziation des genetischen Risikowerts mit den tatsächlichen kardiovaskulären Risiken bzw. Ereignissen. Der prädiktive Wert des genetischen Risikoindikators war gleich Null.

Ganz anders sah es mit der selbstberichteten Familien-Krankengeschichte aus, die auch in mehrfach standardisierten Berechnungen signifikant mit dem Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse assoziiert blieb. Wer also Risikoschätzungen machen will, sollte noch und wieder auf die prädiktive Kraft einer gründlichen Familienanamnese setzen.

Von dem Aufsatz "Association Between a Literature-Based Genetic Risk Score and Cardiovascular Events in Women" von Nina P. Paynter, Daniel I. Chasman, Guillaume Paré, Julie E. Buring, Nancy R. Cook, Joseph P. Miletich, und Paul M Ridker im JAMA (2010; 303(7):631-637) gibt es kostenlos lediglich ein Abstract.

Bernard Braun, 23.6.10