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Kann man duschen ohne nass zu werden? Warum die Monopolkommission das Idyll vom "Wettbewerb light" in der GKV beenden möchte

Artikel 2086 Anfang Februar 2012 schlug die Monopolkommission der Bundesregierung in einem Sondergutachten u.a. vor, die gesetzliche Krankenversicherung als "Unternehmen" zu betrachten und ihre politisch gewollten wettbewerblichen Verträge sowie ihre rasant zunehmenden Fusionen wettbewerbsrechtlich kontrollieren zu lassen - durch das Kartell- und nicht mehr durch das Bundesversicherungsamt.

Dieser Vorschlag mag manchem der sich trotzdem gern unternehmerisch gebarenden Krankenkassen-Vorstände und -Betriebswirte nicht passen. Er will aber etwas regeln, was im Prinzip seit der politisch gewollten und von zahlreichen Akteuren inner- und außerhalb den gesetzlichen Krankenkassen immer wieder begrüßten Einführung von wettbewerblichen Elementen nach 1993 oder 1996 (z.B. Kassenwahlfreiheit, Möglichkeiten für selektive Verträge oder Rabattverträge) in regelmäßigen Abständen angedacht, -diskutiert aber nie geklärt wurde. Es geht darum, dass dieselben gesetzlichen Krankenkassen nach dem Willen desselben Gesetzgebers für das Gemeinwohl nicht nur ein agiler Haufen von Wettbewerbern, sondern eine "Solidargemeinschaft" (§ 1 SGB V) sein sollen. Sie sollen allen Versicherten in zahlreichen Bereichen "gemeinsam und einheitlich" (z.B. § 20 Abs. 1 SGB V) Leistungen anbieten. Dahinter steckt die nicht ganz unsinnige Position, dass gesetzlich Krankenversicherte, die in den meisten Fällen prozentual denselben Einheitsbeitrag bezahlen, nicht völlig unterschiedliche Leistungen erhalten sollen.

Der gesetzlich verordnete Orientierungs- und Handlungsspagat führt bisher u.a. dazu, dass sich Krankenkassenmanager, Gerichte oder Leistungsanbieter immer das herauspicken, was ihnen gerade passt. Kassenmanager sind so lange begeisterte Anhänger von Wettbewerb, solange sie - wodurch auch immer - Mitglieder gewinnen, jammern aber über "ungerechte" Effekte des Wettbewerbs, wenn sie z.B. wegen des Erhebens von Zusatzbeiträgen spürbar Mitglieder verlieren. Politiker träumten und träumen davon, bald nur noch 30 fusionierte Krankenkassen zu haben, die den Produzenten von Arzneimitteln oder Rollstühlen durch ihre Nachfragemacht "aldimäßig" niedrigere Preise und höhere Qualität abverhandeln. Die u.a. durch Fusionen etc. gebildete Nachfragemacht von Barmer GEK, TK, DAK und/oder AOK stellt quantitativ aber nichts anderes als ein oder zwei Oligopole dar. Oligopole und nicht erst Monopole entsprechen aber weder dem reinen Wettbewerbsideal noch tragen sie zwangsläufig zum Wohl der Versicherten und PatientInnen bei. Trotzdem werden die für solche Konstellationen entwickelten Schutzmechanismen und -instrumente der Oligopol- und Monopolkontrolle als staatsdirigistische Eingriff in die Selbstverwaltung und als selber wettbewerbsgefährdend abgestempelt und abgelehnt.

Wettbewerb ohne das Risiko richtig Verlierer zu sein, unternehmerisches Gebaren oder Vorstandseinkünfte ohne einen mit DAX-Wirtschaftsunternehmen vergleichbaren Zwang zur ständigen Erwirtschaftung von Einnahmen und Gewinnen oder eine oligopolistische Marktmacht ohne Schutz gegen deren Missbrauch durch übereifrige Betriebswirte wirken aber wie der Versuch duschen zu wollen ohne nass zu werden.

Um schlimmere Folgen einer unkontrollierten Marktmacht für Versicherte und Anbieter von Gesundheitsleistungen zu verhindern oder das Risiko zu vermeiden, dass der gesetzlich induzierte Spagat den sozialen oder solidarischen Kern der gesetzlichen Krankenversicherung zerreißt, gibt es drei Lösungswege:

• Erstens die Beendigung des jetzigen "Spagat"-Wettbewerbs zwischen Mitgliedern einer Solidargemeinschaft und der Rück- und Abbau der Vorstellung, gesetzliche Krankenkassen könnten und sollten nur als marktwirtschaftliche Unternehmen zum Gemeinwohl beitragen.
• Wenn man davon nicht überzeugt ist, gibt es zweitens die Möglichkeit der Überleitung in ein System des "Duschens mit Nasswerden", d.h. die Überführung der GKV und ihrer Versicherten in ein richtig und durchgängig wettbewerbliches System wie z.B. dem der privaten Krankenversicherung (PKV) mit den dann aber für richtige Wirtschaftsunternehmen geltenden Kontrollen und Korrekturen oligopolistischen oder quasimonopolistischen Handelns.
• Eine Art dritter Weg wäre schließlich die Umsetzung der Vorschläge der Monopolkommission, für den wettbewerbsorientierten Teil der gesetzlichen Krankenversicherung Regelungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) anzuwenden.

Die Monopolkommission schlägt dafür eine Ergänzung des § 4 SBG V vor, die folgenden Wortlaut haben könnte: "Das Handeln der gesetzlichen Krankenkassen ist unternehmerisches Handeln im Sinne des GWB. Ausnahmen sind solche Bereiche, in denen die Kassen zur Erfüllung ihres Versorgungsauftrags zu kollektivem Handeln verpflichtet sind. Dies gilt insbesondere für Verträge zwischen Krankenkassen oder deren Verbänden mit Leistungserbringern, zu deren Abschluss die Krankenkassen oder deren Verbände gesetzlich verpflichtet sind und bei deren Nichtzustandekommen eine Schiedsamtsregelung gilt."

Dieser Vorschlag beruht u.a. auf folgenden Wahrnehmungen oder Feststellungen der in der Monopolkommission arbeitenden Juristen und Ökonomen:

• "Die gesetzlichen Krankenkassen stehen auf dem Versicherungsmarkt mit ihrem Angebot im Preis- und Qualitätswettbewerb um Versicherte. Auf dem Leistungsmarkt kaufen sie die Dienstleistungen von Ärzten, Produkte von Pharmafirmen und weitere Leistungen ein. Die zunehmenden Möglichkeiten der Kassen, individuell zu handeln, haben einen sich sukzessive verstärkenden Wettbewerbs- und Leistungsdruck zur Folge, durch den Effizienzpotenziale im Gesundheitswesen erschlossen werden sollen."
• "Allerdings nimmt dabei auch der Anreiz für die Kassen zu, sich durch individuell oder kollektiv wettbewerbsbeschränkendes Verhalten Vorteile am Markt zu verschaffen. Als Beispiele seien mögliche Absprachen der Kassen bei der Beitragserhebung, die Koordination der Kassen auf den Beschaffungsmärkten, die Möglichkeit der Diskriminierung von Anbietern oder unkontrollierte Fusionen zum Aufbau von marktbeherrschenden Stellungen genannt."
• "Mit der sukzessiven Einführung von Wettbewerbselementen in das Gesundheitswesen hat sich das Erfordernis, gegen wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen vorzugehen, deutlich verschärft. Ein kartellrechtlicher Schutzbedarf ergibt sich sowohl im Verhältnis der Krankenkassen zu ihren Mitgliedern auf dem Versicherungsmarkt als auch zu den Leistungserbringern auf dem Leistungsmarkt. Daneben ist das Verhältnis der Krankenkassen untereinander betroffen, da eine zunehmende Konzentration der Kassen ebenfalls den Wettbewerb stören kann."
• "Soll der angestoßene Wettbewerbsprozess zu den gewünschten gemeinwohlfördernden Ergebnissen führen, ist er analog zu anderen Märkten vor Konzentrationstendenzen und Beschränkungen zu schützen."

Realistisch geht die Monopolkommission davon aus, dass es nicht den GKV-Akteuren überlassen bleiben sollte, den "Wettbewerb à la GKV" abzuschaffen, auf den sie geistig, mental und materiell eingeschworen sind und in dem sie sich mittlerweile auch sehr gut eingerichtet haben. Da dies auch dafür gilt die unerwünschten Effekte des jetzigen Wettbewerbs zu verhindern, weist die Monopolkommission die Aufgabe, den selbstgeschaffenen Spagat zu beenden zu Recht dem Gesetzgeber zu.

Das 62-seitige Sondergutachten gemäß § 44 Abs. 1 Satz 4 GWB der Monopolkommission mit dem Titel "Die 8. GWB-Novelle aus wettbewerbspolitischer Sicht" ist komplett als PDF-Datei erhältlich.

Bernard Braun, 25.2.12