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Jedem sein "Wahlpaket", aber welches Leistungs-Paket schnüren wir dieses Jahr? 86 Seiten gegen die Unübersichtlichkeit in der GKV
Das deutsche Gesundheitssystem ist in seiner gegliederten Struktur von Trägern, Leistungsbereichen (ambulant, stationär) und Leistungserbringern eines der weltweit für die Versicherten und natürlich vor allem für akut Leistungsbedürftige unübersichtlichsten Systeme. Ein Dauerthema der gesundheitspolitischen Debatte und Regulierung der letzten 30 Jahre ist daher mehr oder überhaupt Transparenz herzustellen, Zuständigkeiten zu bündeln, durch Kooperationsverpflichtungen den Suchaufwand für Leistungsbedürftige zu minimieren oder durch Case- und Caremanagement bzw. Lotsen bedarfsgerechte Versorgung möglichst nahtlos und zügig erhältlich zu machen.
Obwohl selbst diese erkanntermaßen notwendigen Aktivitäten (noch) nicht besonders gut funktionieren (Vorsicht ist aber schon wegen ihrer fehlenden Evaluation dringlich geboten) und als ob es nicht jahrelange Diskussionen über die begrenzten Informationsbeschaffungs- und -bewertungskapazitäten von "Kunden" im Allgemeinen und gesunden wie besonders kranken Versicherten gäbe, forciert die Gesundheitspolitik an anderer Stelle und in den letzten Jahren im Zeichen des Wettbewerbs gerade noch die Vielfalt und -zahl von Leistungsangeboten. Wer also von der Unübersichtlichkeit der Handytarife noch nicht genug hat, kann sich im Gesundheitswesen in zunehmendem Maße in einer ähnlichen Wahllandschaft bewegen. Nur, dass es dabei um Versicherungs-Wahltarife geht und die Folgen einer falschen Wahl wesentlich schwerer wiegen als bei einem falschen Telefon- oder KFZ-Haftpflichttarif.
Hier wie an anderer Stelle gibt es aber dann auch gleich "Hilfe" und zwar durch privatwirtschaftliche oder auch öffentliche Anbieter von Leitfäden oder Handbüchern. Diese sind nach langjährigen Erfahrungen im In- aber vor allem auch im Ausland (in den USA sind um den Tarif- und Versicherungswahl-Termin im jeweiligen Dezember herum Dutzende derartiger Werke an jedem Zeitungskiosk zu erstehen und zusammen mit weiteren fünf Dutzend Internet-Onlineleitfäden Grundlage für einen kognitiv extrem aufwändigen (Aus-)Wahlprozess) selbst umfangreiche und methodisch anspruchsvolle Werke geworden.
Dazu zählt - für den Anfang - auch der gerade erschienene 86 Seiten umfassende Open-Source-"Leitfaden Wahltarife der gesetzlichen Krankenversicherungen (einschließlich eines Wahltarife-Bewertungsmodells)" von Prof. Dr. med. Dipl.-Kfm. Rainer Riedel (Direktor Institut für Medizin-Ökonomie & Medizinische Versorgungsforschung an der Rheinischen Fachhochschule Köln [RFH]), Markus Rolle (Medizincontroller, BARMER Ersatzkasse Hauptverwaltung Wuppertal), Kirsten Ulrich, Dipl. oek./Medizin (RFH) und Madeleine Worringer (Wissenschaftliche Mitarbeiterin RFH)
Seit April 2007 haben gesetzliche Krankenkassen die Möglichkeit, Wahltarife anzubieten. Der Gesetzgeber erhofft sich dadurch mehr Wahlfreiheit für die Versicherten sowie mehr Transparenz und Wettbewerb zwischen den Krankenkassen. Zwei Varianten werden unterschieden: Versorgungsbezogene Wahltarife motivieren beispielsweise chronisch Kranke zur aktiven Teilnahme an strukturierten Behandlungsprogrammen (z.B. DMP, Hausarztmodell) oder bestimmte Versichertengruppen zu einem gesundheitsbewussten Leben und bieten dafür beispielsweise eine Ermäßigung der Praxisgebühr. Zum anderen gibt es die monetären Wahltarife, die finanzielle Anreize durch Selbstbehalte, Kostenerstattungstarife und Beitragsrückerstattungen anbieten.
Die Autoren bieten eine detaillierte Gegenüberstellung der aktuellen Wahltarife der 18 größten gesetzlichen Krankenkassen und eine Analyse der unterschiedlichen Tarife. Die Berechnungen sind anhand eines Punktesystems leicht nachvollziehbar. Das Analysemodell kann sowohl vom Einzelnen als auch von Krankenkassen, Versicherungsberatern oder von Verbraucherorganisationen genutzt werden. So können Versicherte versuchen, den besten und günstigsten Wahltarif für ihre persönliche finanzielle, gesundheitliche und familiäre Situation zu finden und selber zu berechnen. Im Leitfaden finden sich alle derzeit angebotenen kassenindividuellen Wahltarife der in die Studie einbezogenen gesetzlichen Krankenkassen.
Nicht weiter verwunderlich ist, dass "die Autoren ... in der Einführung der GKV-Wahltarife einen großen Mehrwert für den mündigen Versicherten (sehen). Jeder gesetzlich Versicherte kann so sein "Wahlpaket" seinen individuellen Bedürfnissen schüren. Dies sei als großer Fortschritt in Richtung einer Erhöhung der Patientenselbstverantwortung zu werten." Und weiter heißt es in der Pressemitteilung der Leitfadenschreiber: "Von Krankenkassenseite wird bestätigt, das es zur Zeit keine vergleichbare Publikation gibt, mit der Versicherte selbst entscheiden und abwägen können, was aus dem vielfältigen Angebot der Wahl- und Selbstbehalttarife für ihre persönliche Situation gut sein könnte."
Warum sich Versicherte, die es hier mit den politischen Vorgaben zur Differenzierung der Leistungsangebote in der GKV zu tun bekommen, nun mit diesem Leitfaden und seinen kostenfreien oder -pflichtigen Nachfolgern rumschlagen müssen und nicht von der GKV-Gemeinschaft (in § 1 SGB V steht immer noch etwas von der "Krankenversicherung als Solidargemeinschaft") zentral und aus Beiträgen finanziert über den "Tarifdschungel" informiert werden, gehört zu den vielen unerwünschten Folgen der Wettbewerbsorientierung in der GKV.
Wer das Pech hat bzw. die Wahl traf nicht in einer der 18 hier untersuchten GKV-Kassen Mitglied zu sein, tut sich mit deren Wahltarifen schon etwas schwerer. Doch keine Sorge: Das nächste Handbuch kommt bestimmt und auch in den 18 Kassen gibt es bald noch mehr nützliche oder auch unnütze Wahlmöglichkeiten.
Den 86-seitigen Leitfaden Wahltarife der gesetzlichen Krankenversicherungen, einschl. eines Wahltarife-Bewertungsmodells gibt es kostenlos auf der Homepage der Rheinischen Fachhochschule Köln (RFH).
Bernard Braun, 5.11.08