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USA: Wie der rein kommerzielle Verkauf von Rezeptdaten an die Pharmaindustrie zum Verfassungsrecht auf "freie Rede" wird.

Artikel 1966 Am 26. Mai 2011 warnten drei Herausgeber des renommierten "New England Journal of Medicine" davor, dass der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten unter dem Deckmantel der Redefreiheit die patient- und arztbezogene Aufbereitung von Rezeptinformationen durch so genannte "data mining"-Firmen für die Vertriebsinteressen der Pharmaindustrie (dem so genannten "detailing") für zulässig erklärt. Dem Rechtsstreit lag ein Gesetz des Bundesstaates Vermont zugrunde, das die Weitergabe derartiger Daten für diese kommerziellen Zwecke (ausdrücklich aber nicht für Forschungszwecke) verboten hatte und sich positive Effekte zur Senkung der Arzneimittelausgaben und Sicherung der Arzneimittelsicherheit erhofft hatte.

Der Datenhandel läuft so, dass sämtliche Rezeptdaten, die bei Apotheken zusammenlaufen, also Informationen über die Art und Menge von Verordnungen, der Arztname und soziodemografische Angaben zum Patienten, von diesen an Firmen weiterverkauft werden, die diese Daten so aufbereiten, dass sie von den Außendienstmitarbeitern der Pharmaunternehmen für die Direktwerbung oder die wie auch immer geartete Einflussnahme auf das Verordnungsverhalten einzelner Ärzte genutzt werden können. Zur Aufbereitung gehören patient- wie arztbezogene Verschreibungsgeschichten. Durch die Kenntnis des konkreten Arztes können die "data mining"-Firmen dem Verkaufsdatensatz durch einen Link zum Masterfile der "American Medical Association" (AMA) u.a. auch noch Informationen über die Ausbildung des Arztes und Praxisdetails hinzufügen. Das Ganze gleicht also einer Art Marketing-"Schlaraffenland" für die Pharmaindustrie, das die Empfänger der Rezepte, ohne dass sie einen Nutzen davon haben, letztlich über die Medikamentenpreise bezahlen.

Gegen das Gesetz, das dies zumindest Vermont verboten hatte, klagte u.a. die auch in Deutschland aktive Firma IMS Health. Sie sah in ihm eine Einschränkung der mit dem First Amendement zur US-Verfassung zum unverzichtbaren Kern der Verfassung gezählten Redefreiheit.

Die NEJM-Herausgeber wiesen dagegen sehr darauf hin, dass es hier nicht um den Schutz eines Verfassungsrecht geht, sondern um schlichte Geschäftemacherei ohne jeglichen Verfassungsrang: "As medical journal editors committed to the open communication of medical knowledge, we are strong proponents of First Amendment protection for speakers who attempt to communicate important evidence-based health information or advocate for patients and physicians' rights. But, the doctor-patient relationship is a sacred trust, and the sale of physicians' confidential prescribing information puts pa-tients' highly private medical information at risk. Why should this information be sold to data-mining and drug companies as a commodity, when it offers no benefit to patients and their physicians? This undesirable practice is nothing more than commercial conduct — not speech — and it is not in the best interest of the health of the American people." Sie wiesen ferner darauf hin, dass überhaupt nur 3% der Ärzte eine der wenigen Möglichkeiten kennt, einen Teil ihrer sie identifizierenden Daten zu verbergen oder nicht weitergeben zu lassen.

Trotz dieser und ähnlicher Einwände erklärte der "Supreme Court" am 23. Juni 2011 mit eine rMehrheit von sechs zu drei Stimmen das Gesetz zu einem Verstoß gegen die in der US-Verfassung durch den ersten Zusatz verankerte und auch sehr hoch geachtete Redefreiheit. Damit haben die Apotheken, die "data mining"-Unternehmen und die Pharmaunternehmen auch in Vermont wieder alle Freiheiten über die Daten von Ärzten und PatientInnen miteinander "zu reden" und brauchen auch nicht zu fürchten, dass andere Bundesstaaten das Gesetz übernehmen. Zugleich wurde damit zum ersten Mal in einem demokratischen Land die Vorbereitung und die Abwicklung rein kommerzieller und zum Teil auch qualitativ fragwürdiger Geschäfte zu einem schützenswerten Verfassungsgut höchstrichterlich aufgehübscht und gegen praktische Kritik immunisiert. Fragwürdig meint z.B. die nicht selten an Drückermethoden erinnernden "Beratungstätigkeiten" von Pharmavertretern bei den mittels dieser Daten identifizierten ärztlichen Wenigverordnern von Medikamenten.

Sieht man sich, sensibilisiert durch den Rechtsstreit in den USA an, was die deutsche Dependanz der Firma IMS Health an Dienstleistungen vor allem für die hiesigen "detailer" der Pharmaindustrie anbietet, fällt die geringe Transparenz über die Gewinnung der dazu genutzten Daten auf.

IMS bietet beispielsweise folgende Leistungen an:

"Sales Optimization: Die IMS Sales Optimization Lösungen schaffen regionale Transparenz über die Vertriebs- und Verschreibungsaktivitäten in allen wichtigen Distributionskanälen. Damit können sowohl Führungskräfte in Vertrieb und Marketing als auch die einzelnen Außendienstmitarbeiter Potenziale und Ziele besser erkennen und ihre Aktivitäten auf einer verlässlichen Basis planen und kontrollieren."
• Das Leistungspaket "IMS Disease Analyzer liefert retrospektive Analysen tatsächlicher Therapie- und Krankheitsverläufe auf Patientenebene in deutschen Arzt-Praxen. Die erhobenen Daten erlauben eine Verknüpfung zwischen Arzt, Patient, Diagnose und Therapie. IMS Disease Analyzer bietet Entscheidungshilfen zu Fragen in allen Phasen des Produktlebenszyklus und unterstützt eine optimierte Produktpositionierung und Potenzialbestimmung. Als Datenquelle dienen Patientenkonsultations-Daten aus Praxiscomputern von mehr als 1.000 deutschen Arztpraxen (internationale Daten aus 3 weiteren europäischen Ländern stehen zusätzlich zur Verfügung). Insgesamt liegen Informationen zu mehr als 8 Mio. Patienten mit über 100 Mio. Verordnungen über einen Zeitraum von 12 Jahre vor."

Hier stellt sich die Frage, ob es sich nicht um Daten handelt, die primär für andere Zwecke und vor allem auf Kosten der Krankenversicherten generiert und gesammelt wurden. Mit Sicherheit werden diese Daten also nicht deshalb produziert, damit sie Firmen wie IMS wie auch immer aufbereitet weiterverkaufen können und dabei keinen erkennbaren substantiellen Nutzen für Patienten und Ärzte verfolgen.

Das 53 Seiten-Urteil des Supreme Court of the United States ist kostenlos erhältlich. Lohnenswert zu lesen sind sowohl das Mehrheits- als auch das Minderheitsvotum der mehrheitlich von den beiden Bush-Administrationen berufenen obersten Bundesrichter.

Bernard Braun, 24.6.11