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US-Gesundheitswissenschaftler: "Antidepressiva für die gesamte Bevölkerung zur Prävention"

Artikel 0793 In ihrer Juni-Ausgabe veröffentlichte die Fachzeitschrift PharmacoEconomics (2007; 25 (6): 511-521) eine Studie mit dem viel sagenden Titel Kosten und Vorzüge direkter Verbraucher-Werbung. Darin kommt der Gesundheitswissenschaftler Adam Block aus Harvard zu dem Ergebnis, der durchschnittliche Lebensqualitätsgewinn für jeden neu mit Antidepressiva behandelten Patienten sei 63 Mal so groß wie die anfallenden Therapiekosten. Der so ermittelte Therapiegewinn auf Seiten der tatsächlich an Depression Erkrankten sei so überwältigend, dass sich die Behandlung einer ganzen Nation selbst dann rechnet, wenn die Behandlung 15 Mal so viele Gesunde wie Depressive erfassen würde und praktisch nur einer von 20 neu mit Antidepressiva behandelten "Patienten" das Medikament wirklich brauchte. Insgesamt sei es gesundheitsökonomisch gerechtfertigt, die gesamte US-Bevölkerung ohne vorherigen Arztkontakt und entsprechende Diagnostik und Rezeptausstellung mit Psychopharmaka zu behandeln.

Die flächendeckende antidepressive Behandlung aller US-Bürger schlüge nach Blocks Berechnungen mit einem Überschuss von 72 Millionen US-$ (58 Mio €) zu Buche und führe damit zu einem unbestreitbaren "Wohlfahrtsgewinn". Diesen Überschuss hat der Professor aus Harvard an Hand so genannter qualitäts-adjustierter Lebensjahre (QALY's) ermittelt, die auf einer recht willkürlichen Umrechnung von Krankheiten und Behinderungen in kalkulierbare Kosten basieren Damit sieht der Autor die Einwände gegen Laienwerbung für verschreibungspflichtige Medikamente entkräftet, die bisher nur in den USA und Neuseeland zulässig ist und dort zu einem rasanten Anstieg der Arzneimittelausgaben geführt hat.

Das Ganze hat nur einen kleinen Haken: In der abschließenden Diskussion seines Beitrags gesteht Block, sein Ergebnis würde vermutlich völlig anders ausfallen, wenn er die unerwünschten Erscheinungen von Antidepressiva berücksichtigt hätte. Die hatte er nämlich in seinem Kalkül schlichtweg unter den Tisch fallen lassen. Dabei gehören Psychopharmaka zu den meist gefürchteten Medikamenten mit erheblichen "Neben"-Wirkungen. Sie verursachen nicht nur selber Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Magen-Darm-Probleme oder sexuelle Dysfunktionen. Weitaus problematischer sind die häufigen Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln, deren Wirkung sie wahlweise verstärken oder abschwächen können.

Passend zur meist schlichten Modellwelt der Ökonomie blendet Block, der Professor an einer der auch von deutschen Politikern so gerne erwähnten Elite-Universitäten ist, auch alle weiteren externen Effekte aus. So berücksichtigt er weder ökonomische oder ökologische Zusatzkosten erhöhter Tablettenproduktion für ein 320-Millionenvolk noch die Konsequenzen für den anfallenden Massentransport. Schleierhaft bleibt zudem, ob schon jeder Säugling als Psychopharmaka-Verbraucher mitgezählt ist. Ganz zu schweigen von den direkten und indirekten Kosten der zu erwartenden unerwünschten Wirkungen, die durch den Verlust an QALY's, zusätzliche Arztkontakte und Krankenhausaufenthalte sowie erhöhtem Medikamentenverbrauch bei allen Präparaten ebenfalls erhebliche volkswirtschaftliche Kosten erwarten lassen. Einen Einblick in die komplexe Welt der Antidepressiva-induzierten Wechselwirkungen vermittelt ein im Internet frei zugängliches Vorlesungskript von Josef Donnerer am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie der Universität Graz.

Einen Überblick über die Prävalenz und Bedeutung von depressiven Erkrankungen, die therapeutischen Möglichkeiten und häufige unerwünschte Wirkungen von Antidepressiva vermittelt der frei zugängliche Beitrag von Vincenza Snow, Steven Lascher und Christel Mottur-Pilson im Auftrag des American College of Physicians - American Society of Internal Medicine verfasste Beitrag Pharmacologic Treatment of Acute Major Depression and Dysthymia: Clinical Guideline, Part 1 (Annals of Internal Medicine 2000; 132 (9), S. 738-742). Die wichtigsten Leitlinien fasst der Beitrag von John Williams, Cynthia Mulrow, Elaine Chiquette, Polly Hitchcock, Christine Aguilar und John Cornell A Systematic Review of Newer Pharmacotherapies for Depression in Adults: Evidence Report Summary: Clinical Guideline, Part 2 zusammen (Ann Int Med 2000; 132 (9), S. 743-756).

Das Thema der Laienbewerbung verschreibungspflichtiger Medikamente kommt auch in der EU in den letzten Jahren verstärkt auf die Tagesordnung. Neben deutlich steigenden Medikamentenausgaben zeigen gesundheitswissenschaftliche Studien über Folgen allgemein zugänglicher Werbung für Arzneimittel in den USA vor allem zwei Tendenzen. Die Studie Promotion of Prescription Drugs to Consumers von Meredith Rosenthal, Ernst Berndt, Julie Donohue, Richard Frank und Arnold Epstein im N Engl J Med 2002; 346 (7), S. 498-505 diagnostiziert neue Herausforderungen an Ärzte, die ihren Patienten beistehen müssen, die Informationen und Behauptungen aus der Laienwerbung richtig einzuordnen. Frei zugänglich ist nur das Abstract des Artikels aus dem New England Journal of Medicine.

Richard Kravitz, Ronald Epstein, Mitchell Feldman, Carol Franz, Rahman Azari, Michael Wilkes, Ladson Hinton und Peter Franks bestätigen diesen Befund in ihrem Artikel Influence of Patients' Requests for Direct-to-Consumer Advertised Antidepressants: A Randomized Controlled Trial im JAMA 2005; 293 (16), S. 1995-2002 und weisen auf widersprüchliche Effekte von direkter Verbraucherwerbung hin: Zwar könnten sie Unterversorgung vermeiden helfen, aber gleichzeitig beflügeln die sie Überversorgung. Kostenfrei stehet ebenfalls nur das Abstract des JAMA-Artikels zur Verfügung.

Die Kalkulationsstudie über flächendeckenden Einsatz von Antidepressiva zeigt nicht zuletzt vor dem Hintergrund vorliegender sozial- und gesundheitswissenschaftlicher Erkenntnisse eindrücklich, welchen Unsinn auch renommierte Universitäten verzapfen, auf die deutsche Bildungspolitiker so gerne verweisen. Und sie wirft ein schräges Licht auf die Seriosität ökonomischer Fachzeitschriften, die wie die Pilze aus dem Boden schießen und ihre politischen Intentionen kaum verbergen. Kostenfrei ist nur das Abstract der Studie aus der Juni-Ausgabe von Pharmacoeconomics herunterzuladen. Eine Glosse zur Studie und zur zunehmenden Stromlinienform von Fachpublikationen liefert die tageszeitung in ihrer Ausgabe vom 13.7.2007.

Hier finden sie einen Hintergrundartikel zu der Untersuchung aus Harvard aus der Ausgabe vom 9. August 2007 der Zürcher WochenZeitung

Jens Holst, 11.7.2007