Home | Patienten | Gesundheitssystem | International | GKV | Prävention | Epidemiologie | Websites | Meilensteine | Impressum
Weitere Artikel aus der Rubrik
Patienten
Versorgungsforschung: Krebs
"Vorsicht Studie" oder oft werden "positive" Ergebnisse durch Anpassung des primären Endpunkts produziert (3.12.23)
Hohe Preise für 65 Krebsmedikamente sind nicht durch ihren Nutzen gerechtfertigt. Daten aus UK, USA, D, F und CH (11.5.20)
Von den Möglichkeiten die Lebensqualität von PatientInnen zu messen. Nationale Normwerte machen es besser möglich! (22.12.18)
Digitale rektale Prostata-Untersuchung wegen Risiko von Über-/Fehldiagnostik nicht empfehlenswert, nur was sind die Alternativen? (19.3.18)
Wie Massenmedien die Wahrnehmung von Erkrankten verzerren und spezifische Behandlungsangebote behindern - Beispiel Krebs in Irland (21.5.17)
Unheilbarer Krebs: die meisten Patienten wünschen vollständige Informationen (11.7.16)
Und es geht doch schnell! Wie die Evidenz zur nicht notwendigen Entfernung bestimmter Lymphknoten bei Brustkrebs im OP ankommt. (10.7.16)
Zwischen unter 20% bis 70%: Unterschiede der durch Verhaltensmodifikationen beeinflussbaren Krebsinzidenz und Mortalität (23.5.16)
Diagnostische Variabilität der Biopsien von Brustgewebe je nach Art der Zellveränderung erheblich (22.3.16)
Rückgang der Inzidenz und Mortalität von Darmkrebs durch Vorsorgekoloskopie - Ja, mit kleinen Einschränkungen (4.3.16)
Der "fordernde Patient" - ein Mythos (13.8.15)
Arbeitslosigkeit und Sterblichkeit an Prostatakrebs - ein OECD-weit vielfach signifikanter Zusammenhang (17.5.15)
16% oder 0,3% - Relativ oder absolut und was folgt daraus für das Screening von Lungenkrebs? (19.10.14)
Risikopyramide Tabakrauchen: Aktivrauchen, Passivrauchen und nun auch noch "third hand smoke"-Rauchen (17.7.14)
Bewohner sozial schlecht gestellter Landkreise in Deutschland haben höhere Krebssterberisiken als Bewohner anderer Landkreise (1.2.14)
Risiko-Kommunikation bei einseitigem Brustkrebs überschätzt oft die Folgerisiken für die gesunde Brust und funktioniert zu wenig (17.9.13)
Über-/Fehlversorgung mit Koloskopien für knapp ein Viertel der 70-jährigen und älteren US-BürgerInnen (15.3.13)
Wie viele Jahre müssen Darm- und Brustkrebs-Gescreente noch leben, um den Überlebensnutzen der Untersuchungen genießen zu können? (3.3.13)
Helfen Flüssigkeitsinfusionen sterbenden (Krebs-)patienten? Sehr wenig, aber garantiert regelmäßige Besucher! (27.1.13)
"Iss und stirb" oder "Iss Dich gesund" - geht es beim Essen so oder so immer um Krebs!? (26.12.12)
Lungenkrebs und Darmkrebs im fortgeschrittenen Stadium: Illusionen über Heilung bei der Mehrzahl der Patienten (25.10.12)
Weniger operieren bei lokal begrenztem Prostatakarzinom (25.7.12)
PSA-Massenscreening "nein danke" oder allenfalls noch individualisierte Suche nach Prostatakarzinom-Prädiktor!? (7.6.12)
Zu viel Medizin, zu wenig Palliativ-Versorgung am Ende des Lebens (19.4.12)
PSA-Screening senkt auch nach 13 Jahren Beobachtungszeit nicht das Risiko an Prostatakrebs zu sterben (10.1.12)
Avastin: Zulassungsverlust in den USA wegen Unwirksamkeit und Nebenwirkungen?! "Geld-zurück"-Vermarktungsstrategie in Deutschland! (30.10.11)
Brustkrebspatientinnen werden schlecht auf die sozialen, emotionalen und kognitiven Bedingungen nach dem Überleben vorbereitet (14.10.11)
US-Empfehlung: Schluss mit PSA-basiertem Prostatakrebs-Screening bei gesunden Männern! Deutsche Urologen: "zu drastisch"! (9.10.11)
Screening, Überdiagnostik und Überbehandlung: Anstieg der Brustentfernungen statt Abnahme nach Einführung von Brustkrebs-Screening (14.9.11)
40 Jahre "war on cancer", 20 Jahre "Prostate, Lung, Colorectal, and Ovarian Cancer Screening trial" und kein "Sieg" in Sicht! (11.6.11)
Eierstockkrebs-Screening bringt nachweisbar Schaden durch nicht notwendige Operationen aber keinen Nutzen bei der Mortalität. (20.5.11)
Auch nach 20 Jahren: Kein signifikanter Nutzen des PSA-Tests zur Senkung des Risikos an Prostatakrebs zu versterben zu entdecken! (5.4.11)
Verschwenderisch, nutzlos, inhuman: Warum erhalten todkranke Krebspatienten noch Untersuchungen zur Früherkennung? (3.11.10)
US-Massenmedien und Krebs - Nebeneinander von Risiko-Verharmlosung und Schweigen über palliative Angebote (31.7.10)
Früherkennung von Lungenkrebs mit Computertomographie: Risiken sicher, Nutzen nicht (24.4.10)
Warum Zweitmeinungen nicht nur bei teuren Spezialpräparaten? Funde aus der Praxis von Zweitmeinungszentren bei Hodenkrebs. (30.1.10)
Gibt es Überversorgung bei Screeningangeboten? Beim "Pap-Test" neigen amerikanische Ärzte sogar gewaltig dazu. (8.11.09)
Brustkrebs-Früherkennung durch Mammographie: Ein Drittel aller Karzinome ist harmlos und überdiagnostiziert (10.8.09)
Schweiz: Nur 50% der Ärzte ist vom Nutzen des PSA-Tests überzeugt, aber 75% empfehlen ihn aus juristischen Erwägungen (23.3.09)
"Die Kernfrage ist nicht, ob das PSA-Screening effektiv ist, sondern ob es mehr nützt als schadet." - Neues und Widersprüchliches. (21.3.09)
Vitamine C und E, Selen und vermutlich viele antioxidative Stoffe ohne präventive Wirkung bei Prostatakrebs. PSA-Testprobleme! (10.12.08)
Psychotherapeutische Hilfe nach Brustkrebs verbessert den Therapie-Erfolg und senkt sogar die Mortalität (20.11.08)
USA: Ethnische Ungleichheiten in der Versorgungsplanung von Krebspatienten in den 6 letzten Monaten vor dem Tod. (12.11.08)
Persönliche Charakteristika von Ärzten spielen Rolle bei der leitliniengerechten Brustkrebsbehandlung (17.2.2008)
Kommunikation mit Krebspatienten über ihre Ängste: Den meisten Ärzten fehlen die rechten Worte (31.12.2007)
Gefahr von Unter- und Fehlversorgung bei langjähriger Therapienotwendigkeit: Das Beispiel Tamoxifen bei Brustkrebs. (25.12.2007)
Brustkrebs-Diagnosen durch Mammographie: Die Treffsicherheit von Ärzten ist extrem unterschiedlich (16.12.2007)
Überleben allein ist nicht alles. Von der Wichtigkeit der Nachsorge für die Lebensqualität von jungen Krebspatienten! (15.6.2007)
Chemotherapie am Lebensende: Krebspatienten erfahren über ihre Krankheit mehr von Mitpatienten als von ihrem Arzt (12.1.2007)
"Remember that time is money": Umfang und finanzieller Wert der durch Krebsbehandlung "verlorenen Zeit" (3.1.2007)
Über- und Fehlversorgung beim PSA-Screening für ältere Männer (15.11.2006)
Brustkrebs: EU fordert Staaten zu mehr Anstrengungen bei der Früherkennung auf (18.10.2005)
Seite mit den Texten aller Artikel aufrufen:
Versorgungsforschung: Krebs
Andere Rubriken in "Patienten"
Verhaltenssteuerung (Arzt, Patient), Zuzahlungen, Praxisgebühr |
Versorgungsforschung: Krebs |
Auch nach 20 Jahren: Kein signifikanter Nutzen des PSA-Tests zur Senkung des Risikos an Prostatakrebs zu versterben zu entdecken!
Der schon bisher vielstimmige Chor der Stimmen, die vor allzu überzogenen Erwartungen an den Nutzen des als Screeningmethode zur Messung des Risikos von Prostatakrebs empfohlenen PSA-Test (vgl. dazu auch mehrere Belege vgl. u.a. "Die Kernfrage ist nicht, ob das PSA-Screening effektiv ist, sondern ob es mehr nützt als schadet." - Neues und Widersprüchliches. in diesem Forum) warnten, wird seit wenigen Tagen durch die Ergebnisse einer in Schweden über 20 Jahre lang durchgeführten Studie kräftig verstärkt.
Die Länge des Beobachtungszeitraums ist deshalb wichtig, weil bei der Diskussion der PSA-kritischen Ergebnisse früherer Studien häufig der prinzipiell auch berechtigte Einwand eine Rolle spielte, die positiven Effekte des Tests würden erst nach längerer Zeit auftreten.
Ziel der Studie war zu bewerten, ob das regelmäßige Screening nach Anzeichen von Prostatakrebs der härteste Endpunkt einer solchen Untersuchung, nämlich die spezifische Sterblichkeit an Prostatakrebs in einem derart langen Zeitraum reduziert wird. An der Studie nahmen alle im Jahr 1987 50 bis 69 Jahre alten Männer in der schwedischen Mittelstadt Norrköpping teil. 1.494 Angehörige der Studiengruppe (jeder sechste Mann nach seinem Geburtsdatum) wurden zufällig für die Interventionsgruppe ausgewählt und mussten sich zwischen 1987 und 1996 jedes dritte Jahr auf Anzeichen eines Prostata-Karzinoms untersuchen lassen. Bis 1993 geschah dies durch eine digitale rektale Untersuchung, danach mittels des PSA-Tests. Die prostatakrebsspezifische Mortalität wurde samt genauerer Merkmale des Karzinoms und der Behandlungen bis zum 31. Dezember 2008 erhoben. Die Kontrollgruppe bestand aus den 7.532 restlichen Männern der 50-69jährigen Grundgesamtheit.
Die Ergebnisse lauteten:
• An den vier Screeningaktionen nahm ein von 78% auf minimal 70% sinkender Teil der Untersuchungsgruppe teil.
• In der Screeninggruppe erkrankten 85 Personen (5,7%) an Prostatakarzinom. In der Kontrollgruppe gab es 292 Erkrankte (3,9%). Rund die Hälfte der Tumore wurde in der Screeningsgruppe zwischen den Screeningterminen entdeckt. Auffällig war außerdem eine doppelt so hohe Entdeckungsrate von meist nicht großen oder extrem aggressiven lokalen Tumoren in der Screeninggruppe. Bei der Häufigkeit von Tumoren, die nicht lokal begrenzt also zum Teil deutlich gefährlicher waren als lokale Tumore, unterschieden sich die beiden Gruppen praktisch nicht.
• Die Gesamtmortalität bei Männern mit einem Prostatakarzinom betrug innerhalb der Untersuchungszeit bei den Angehörigen der Screeninggruppe 81% (69 von 85) und 86% (252 von 292) in der Kontrollgruppe.
• Weder die Überlebenszeit bei einer Krebserkrankung der Prostata noch die Gesamt-Überlebenszeit unterschied sich zwischen den beiden Gruppen signifikant.
• Um einen Todesfall wegen eines Prostatakarzinoms zu verhindern, müssen 1.410 Männer untersucht und 48 behandelt werden.
• Das relative Risiko ("risk ratio") für den Tod durch ein Prostatakarzinom betrug innerhalb der 20 Beobachtungsjahre 1,16, d.h. das Risiko an dieser Erkrankung zu versterben war in der Screeninggruppe höher als in der Kontrollgruppe, war aber statistisch nicht signifikant (Konfidenzintervall 0,78 bis 1,73). Da auch weitere Risikoindikatoren für das Prostatakrebs-Sterblichkeitsrisiko, wie beispielsweise das "hazard ratio" teilweise keine signifikanten Unterschiede zwischen der Sterblichkeit in beiden Gruppen zu Tage förderten, kommen die AutorInnen zu dem Schluss, das "screening for prostate cancer did not seem to have a significant effect on mortality" und die Indikatorwerte "did not indicate significant benefit from prostate cancer screening".
• Dem Mangel an signifikantem Nutzen des Screenings für ein längeres Leben mit Prostatakrebs steht ein beträchtliches Risiko zur Überentdeckung ("overdetection") von zum Teil (noch) harmlosem Krebs und einer Überbehandlung ("overtreatment") mit den bekannten und häufig auftretenden unerwünschten Nebenwirkungen (u.a. Impotenz und Inkontinenz) bei den Angehörigen der Screeninggruppe gegenüber.
Dass die Debatte über den Nutzen des PSA-Tests auch mit dieser Studie kein Ende hat, fördern die AutorInnen durch zwei weitere Überlegungen selbst: Zum einen weisen sie trotz der fehlenden Signifikanz zunächst darauf hin, es sei unmöglich, dass das Screening "more than a third" der Mortalität reduziere, dies könnte ("could") aber sein. Egal ob dies zutrifft oder nicht bestünde aber dann trotzdem das Risiko der Überentdeckung und nebenwirkungsreichen Behandlung von Tumoren. Zum anderen ist aber auch die Größe der schwedischen Studienpopulation "not sufficient to draw definite conclusions".
Was die Ergebnisse aber in jedem Fall liefern, sind massive Hinweise von der ungebremsten Nutzung des PSA-Tests als vermeintlich garantiert nützlicher Methode Abstand zu nehmen, das spezifische Sterblichkeitsrisiko gesichert zu verringern.
Der komplette Text des Aufsatzes "Randomised prostate cancer screening trial:20year follow-up" von Gabriel Sandblom, Eberhard Varenhorst, Johan Rosell, Owe Lofman, und Per Carlsson ist im März 2011 online im "British Medical Journal (BMJ)" (2011;342:d1539 doi:10.1136/bmj.d1539) veröffentlicht und kostenlos erhältlich.
Bernard Braun, 5.4.11