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Patienten
Disease Management (DMP), Qualitätssicherung


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Vom unerwarteten Ende einer Verbesserung der Behandlungsqualität nach P4P-Start für Familienärzte in Großbritannien 1998-2007.

Artikel 1615 Seitdem der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler bei jeder Gelegenheit verkündet, es werde und müsse sich "das ärztliche Honorar immer mehr an der erbrachten Qualität orientieren" und dies könne durch Qualitätszuschläge im Einheitlichen Bewertungsmaßstab erreicht werden, rückt auch in Deutschland eine qualitätsbezogene Vergütung, international auch als "Pay for Performance" (P4P) bezeichnet, näher. Dass die KBV es ernst meint, zeigt die Ankündigung in den Online-Nachrichten des "Deutschen Ärzteblatts" vom 24. Juli 2009, ein derartiges System könne ohne Pilotphase in der zweiten Hälfte des Jahres 2010 eingeführt werden.

Da dies immerhin noch etwas Vor(be)denkzeit bedeutet, sollten sich die KBV-Planer gründlicher als bisher die wissenschaftlich evaluierten Erfahrungen, etwa die bis 2007 mit P4P-Systemen in verschiedenen Ländern gemachten oder die aktuellsten Ergebnisse einer mehrjährigen Analyse der Qualitätsverbesserung unter P4P-Bedingungen in Großbritanien anschauen.

Im Vereinigten Königreich wurde erstmals 2004 ein P4P-Programm für Familienärzte eingeführt. Das Programm enthielt 136 unterschiedliche Indikatoren für die Behandlungsqualität von sieben Erkrankungsarten, die erreicht werden mussten, um in den Genuss der materiellen Vorteile des Programms zu kommen. An dem freiwilligen Programm nahmen 2006 99,6% der Familienärzte teil. Zahlungen aus dem P4P-Programm trugen maximal zu 25% der Einkünfte der Ärzte bei.

WissenschaftlerInnen untersuchten nun mittels der Dokumentationen und Datensätze der Behandlungen die Qualitätsveränderung bzw. -entwicklung in 42 repräsentativen Praxen und zwar in den Jahren 1998 und 2003, also vor Einführung des P4P-Programms, und dann in den Programmjahren 2005 und 2007. Die Wahrnehmungen oder Wünsche der Patienten über den Zugang zur Behandlung, ihrer Kontinuität und einer Reihe interpersonaler Charakteristika wurden per standardisiertem Fragebogen (General Practice Assessement Questionnaire) erhoben, der an jeweils 200 erwachsene Patienten pro Praxis versandt wurde. Der Fragebogen wurde von mageren 38% (1998 und 2007) und 47% (2003) der Patienten beantwortet. In die Analyse gingen sowohl Behandlungsmerkmale ein, die mit materiellen Anreizen aus dem Programm versehen waren als auch Merkmale für deren Qualität es keinen direkten materiellen Anreiz gab.

Die Ergebnisse waren durchweg statistisch hochsignifikant und unerwartet:

• Die Qualitätsscores, d.h. eine Art Sammelindikator für mehrere der 136 relevanten Qualitätsindikatoren, stieg vor Einführung von P4P in beiden Jahren für die Behandlung von Asthma, Diabetes und Herzerkrankungen.
• Nach Einführung des P4P-Programms stiegen die Qualitätswerte für Asthma und Diabetes weiter, aber wesentlich langsamer als vorher.
• Die Qualität der Behandlung von Herzerkrankungen verbesserte sich nach Einführung von P4P nicht mehr, obwohl durchaus noch Verbesserungsbedarf bestand.
• Nach Einführung der P4P-Programme fanden die ForscherInnen keine Veränderungen bei der Wahrnehmung von Patienten zum Zugang bzw. Erhalt von Leistungen oder interpersoneller Aspekte der Behandlung.
• Bei jeder der drei Erkrankungsarten gab es aber auch Behandlungsmerkmale auf die die Anreize von P4P überhaupt nicht einwirkten oder die sich sogar verschlechterten.
• Unmittelbar nach dem Start des Programms verschlechterte sich die Behandlungskontinuität und verblieb dann den gesamten Untersuchungszeitraum auf dem niedrigeren Niveau. Eine spezielle Erklärung setzt an dem Phänomen an, dass das P4P-Programm den schnellstmöglichen (innerhalb 48 Stunden) Zugang zu einem Arzt belohnt, nicht aber den Kontakt zu einem speziellen vertrauten Arzt. Die Patienten hätten danach zunehmend Schwierigkeiten, "ihren" Arzt zu sehen.
• Bei Asthma und Herzerkrankungen gab es eine zweigeteilte Entwicklung: Qualitative Behandlungsmerkmale für die das Programm keine Anreize enthielt verschlechterten sich zwischen 2005 und 2007 wogegen sich die Qualität von Behandlungsmerkmalen, für die das Programm materielle Anreize oder "Belohnungen" enthielt im selben Zeitraum weiter verbesserte.

Wodurch die Qualitätsverbesserung vor Einführung des P4P-Programms befördert wurde und wie es zu den fatalen Effekten nach seiner Einführung kommen konnte, untersuchten die britischen WissenschaftlerInnen nicht ausführlich, obwohl dies von enormer praktischer Bedeutung gewesen wäre.
Trotzdem stellen sie vier mögliche Erklärungen zur Debatte: Erstens könnten in einigen Bereichen bereits vor dem Start des Programms nahezu maxomale oder optimale Werte erreicht worden sein, zweitens könnte es schwierig sein, die Verbesserungsdynamik zu verstetigen, drittens könnten die Ärzte relativ schnell das oberste Niveau der möglichen Einnahmen durch hohe Behandlungsqualität erreichen und damit immer weniger Anreize zur Verbesserung bestehen und viertens könnten die Familienärzte mit ihrem Einkommen so zufrieden sein, dass der materielle Anreiz des Programms zu schwach ist.
Angesprochen aber nicht weiter vertieft wird von den britischen WissenschaftlerInnen aber auch die Erkenntnis mehrerer anderer Studien über Programme à la P4P "that financial incentives result in small improvements in quality".

Von der Studie "Effects of Pay for Performance on the Quality of Primary Care in England" von Stephen M. Campbell, David Reeves, Evangelos Kontopantelis, Bonnie Sibbald und Martin Roland im "New England Journal of Medicine (NEJM)" (2009;361:368-78) gibt es kostenlos ein Abstract aber auch den 11 Seiten umfassenden Kompletttext.

Bernard Braun, 26.7.09