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Bericht zeigt: Im Schweizer Gesundheitswesen gibt es seit Jahren eine heimliche Rationierung medizinischer Leistungen

Artikel 0884 Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) hat jetzt einen knapp 100seitigen Bericht vorgelegt, in dem das Problem der Rationierung medizinischer Leistungen im Schweizer Gesundheitswesen umfassend erörtert wird. Dargestellt werden auch Ergebnisse mehrerer Forschungsstudien, die zeigen, dass seit Jahren medizinische Leistungen aus Kostengründen nicht durchgeführt werden. Gefordert wird eine offene Diskussion, anstelle einer Ausblendung der ungelösten, aber immer drängenderen Fragen, die sich aufgrund der begrenzten finanziellen Ressourcen, der steigender Kosten und des medizinischen Fortschritts ergebeben. Der Präsident der SAMW, Peter Suter, ruft zur Debatte auf: "Politik, Gesellschaft und Gesundheitsfachleute müssen anerkennen, dass Beschränkungen im Gesundheitswesen existieren und unvermeidlich sind. Das muss endlich offen diskutiert werden." Die Schweizer Mediziner plädieren in ihrem Bericht für eine Legitimitation der Rationierung, allerdings nach Diskussion und Offenlegung der verwendeten sozialen, ethischen und medizinischen Kriterien.

Fortschritte in der medizinischen Forschung ermöglichen immer bessere Behandlungsmöglichkeiten, die aber auch immer mehr Geld kosten. Andererseits stünden Ärzte und Pfleger unter dem finanziellen Druck, Gesundheitskosten nicht weiter ansteigen zu lassen, sagte Jacques de Haller, Präsident der Ärztevereinigung FMH gestern vor der Presse. Nicht alles medizinisch Wünschbare sei auch machbar. Da die Rationierung insbesondere ältere und sozial benachteiligte Patienten stärker als andere trifft, seien auch aus ethischen Überlegungen verbindliche Richtlinien zur Rationierung nötig, erklärte die Genfer Bioethikerin Samira Hurst, Mitautorin des SAMW-Berichts. Barbara Gassmann, Vizepräsidentin des Berufsverbands der Pflegefachfrauen und -männer, schilderte auf der Pressekonferenz ein Beispiel aus einem Pflegeheim: Angehörige mussten Pflegeleistungen für ihre kranken Verwandten organisieren und bezahlen. Das Pflegepersonal habe nicht die Zeit, der Kranken jeden Tag eine Stunde lang die Nahrung einzuflößen.

Der Bericht referiert mehrere Studien, die den fortschreitenden Prozess der Leistungsrationierung in der Schweiz belegen:
• Eine Studie hat im Bereich der Pflege indirekte Rationierungseffekte ausgemacht: Dabei geht es um Maßnahmen, die von Pflegefachpersonen nicht durchgeführt wurden, obwohl sie notwendig und nützlich gewesen wären. Ursachen waren fehlende zeitliche, fachliche oder personelle Ressourcen in Pflegeteams.

• In einer Studie mit Vergleichen zwischen europäischen Ländern fand man, dass Schweizer Ärzte öfter das Gefühl klinische Rationierung artikulieren als ihre italienischen, norwegischen und britischen Kollegen. 68% der Schweizer Internisten und Allgemeinmediziner gaben an, aus Kostengründen schon Eingriffe verzichtet zu haben, die prinzipiell im Interesse der Patienten gewesen wären. Die von den befragten Ärzten in diesem Zusammenhang am häufigsten genannten Leistungen waren Magnetresonanztomographie, Screeningtests, diagnostische Labortests und das Verordnen rezeptpflichtiger Medikamente.

• Eine weitere Studie erhob bei Ärzten der Grundversorgung, Spitalfachärzten und -verwaltern sowie Patienten Angaben dazu, welche Bereiche der medizinischen Versorgung als schwer zugänglich bezeichnet werden. Es zeigte sich, dass dies die Psychiatrie, Rehabilitation sowie Langzeitversorgung und -betreuung chronisch Kranker betrifft. Gut die Hälfte der ?"rzte war der Meinung, dass diese Zugangsprobleme negative Auswirkungen auf die Gesundheit hätten. Bei den Medizinern in der Psychiatrie waren sogar über 80% dieser Meinung. Als Patientengruppen, die am häufigsten von Rationierung betroffen sind wurden genannt: Ältere, Personen ohne ausreichende Krankenversicherung und Personen mit psychischen Erkrankungen.

"Anstatt das Thema Rationierung zu verdrängen oder für den politischen Schlagabtausch zu verwenden, sollten sich die Verantwortungsträger des Gesundheitssystems offen damit auseinander setzen - und so dafür sorgen, dass das Vertrauen der Bevölkerung in unsere qualitativ hoch stehende, allen zugängliche Gesundheitsversorgung weiterhin gerechtfertigt ist", heißt es in dem Bericht.

• Langfassung (8.5 MB) des Berichts Projekts "Zukunft Medizin Schweiz", Phase III. Rationierung im Schweizer Gesundheitswesen: Einschätzung und Empfehlungen
Kurzfassung (12 Seiten)
• Die Website der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften mit Infos zum Projekt "Zukunft Medizin Schweiz"

Gerd Marstedt, 29.8.2007